Das gefrorene Lachen
begrüßen zu dürfen. Eintritt zu allen Vorstellungen zwei Groschen, Kinder zahlen die Hälfte.
Nachtrag für die Gendarmerie: Die Königliche Sondererlaubnis für Auftritte vor Publikum ist jederzeit im Inspizientenbüro oder im Kassenhäuschen einzusehen.
Ganz Eichenbach strömte heran, um sich gratis und ohne Verpflichtung einen Vorgeschmack zu holen, denn so ein Fliegendes Theater war ein Ereignis, das es heutzutage, wo der Ostwind das Land regierte, nicht mehr allzu häufig zu Gesicht bekam. Genauer gesagt: nie.
Pippa knickste, lächelte, beantwortete gelegentlich eine Frage, las dem einen oder anderen den Handzettel vor (»Ich habe nur meine Brille vergessen, junge Dame. Herzlichen Dank.«) und fror ein wenig in dem dünnen Kleid, denn als die Sonne hinter den Bäumen verschwunden war, wurde es deutlich kühler.
Sie rückte näher an die Feuertonnen, die als Zeichen der beginnenden Vorstellung und Beleuchtung den Eingang flankierten, knickste und lächelte und verteilte ihre Handzettel. Der Besucherstrom, der an ihr vorbeirauschte, tröpfelte und riss ab. Ihre Zettel waren verteilt. Von drinnen erklangen die ersten Rufe des Entzückens und Erstaunens, Johlen, Kreischen und Gelächter.
Pippa kehrte auf das Gelände zurück und blickte zu der kleinen Bühne, die vor dem Eingang ins Theater aufgebaut war. Dort oben stand im Licht der Fackeln Zarter Blütenzauber und verbog Hufeisen und Eisenstangen mit den bloßen Fingern, zerquetschte rohe Kartoffeln, stemmte unter dem Beifall ihrer Frauen ausgewachsene Männer aus dem Publikum hoch in die Luft, jongliertemit Eisenkugeln und zerriss, zerbrach und verbog alles, was man ihm zum Zerreißen, Zerbrechen und Verbiegen hinhielt. Der Blick seiner schwarzen Augen und der Ausdruck seines runden Gesichts waren freundlich und fern; Pippa konnte ihm ansehen, dass er im Geiste bei seinen Pinseln, der Tusche und dem Seidenpapier weilte.
Sie winkte dem Riesen zu, als sie zum Garderobenwagen lief. Zarter Blütenzauber, der gerade ein Dutzend Kinder auf dem linken Arm balancierte, winkte zurück und hob ein dreizehntes Kind auf, ein vor Aufregung laut kicherndes Mädchen mit langen Zöpfen.
Mama Josefina, die Garderobiere, wuselte geschäftig durch den Garderobenwagen der Frauen. »Komm, Kind, schnell, Kind«, summte sie. »Deine Haare, ich muss noch etwas mit deinen Haaren machen.« Sie drückte Pippa auf einen Stuhl, zog die Haarnadeln des Kopfputzes heraus und begann Pippas Kopf mit Bürsten und Kämmen zu traktieren. »Wofür bist du eingeteilt?«, fragte sie, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie musterte den Plan durch ihren Zwicker, dann rief sie nach hinten: »Janne, ich brauche das grüne Kleid!«
Pippa betrachtete Augusts Mutter im Spiegel. Die kleine, geschäftige Frau sah ihrem großen, dunklen Sohn nicht im Mindesten ähnlich. Sie war dünn und blond, spitznasig und voller Energie.
Das grüne Kleid war lang und schwer und hatte eine Schleppe. Pippa raffte, was sie davon nur halten konnte, und rannte zum Bühneneingang hinüber. Auf der Bühne wurden Ausschnitte aus allen Stücken des Repertoiresgezeigt, und jeder, der zwei Beine und einen Kopf hatte, musste als Statist aushelfen. Sie stellte jetzt eine Hofdame in der Komödie »Liebe, Laster und Lords« dar und musste nicken und murmeln und bedenklich auf die jugendliche Heldin blicken. Damit waren die Grenzen ihrer schauspielerischen Talente auch schon im Großen und Ganzen beschrieben.
Pippa nickte und murmelte und schaute bedenklich, dann rannte sie mit gerafften Röcken zurück zum Garderobenwagen. »Leckereienstand«, schnaufte sie.
Mama Josefina rief: »Das blau Gestreifte» nach hinten und stülpte Pippa ein Häubchen über die schnell geflochtenen Zöpfe.
Auf der Bühne draußen jonglierte August mit Keulen und Bällen, schielte dabei vor lauter Konzentration und klemmte die Zunge zwischen die Zähne. Vor der Bühne standen Kinder und starrten mit großen Augen zu ihm hinauf. Ein kleiner Junge weinte laut. Pippa sah, wie August die Keulen zurück in die Requisitenkiste warf und sich zu dem Jungen hinabbeugte, der daraufhin noch lauter zu schreien anfing. Anscheinend machten ihm die große rote Nase und das weiß geschminkte Gesicht unter der lockigen Perücke Angst.
August murmelte beruhigend und nahm dann kurz seine falsche Nase ab. Der Junge hörte schlagartig auf zu weinen und staunte. Er steckte den Daumen in den Mund und begann zu nuckeln.
Dann stürmte mit langen Schritten das alte
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