Das gefrorene Lachen
dunklen Kassenwagen undhörte das Geräusch von dumpfen Schlägen und eine leise und bösartige Stimme. »Du Dummkopf, du elender langohriger, schwachköpfiger Esel!« Wieder ein Schlag – oder war es ein Tritt? – und ein unterdrücktes Stöhnen.
Pippa erstarrte. Das war das alte Weißgesicht, dessen Stimme sie in finsterster Dunkelheit erkennen würde. Und wenn er jemanden beschimpfte und schlug, dann konnte das nur …
Sie rannte los und rief: »Lass August in Ruhe! Du sollst ihn in Frieden lassen!«
Als sie um den Wagen bog, erkannte sie in der Dunkelheit nur eine große, weiße Gestalt, die sich über etwas Dunkles beugte, das am Boden lag. Sie hatte den Arm erhoben und stand da, erstarrt in dieser Haltung. Pippa stürzte auf die weiße Gestalt zu und schrie: »Du darfst ihn nicht schlagen!«
Der Weißclown, denn der war es wirklich, ließ seinen Arm sinken und richtete sich auf. »Schau an, die kleine Magierschlampe«, sagte er giftig.
Pippa biss die Zähne zusammen. »Du darfst ihn nicht schlagen«, wiederholte sie leise und ruhig.
»Darf ich das nicht?« Der Clown bleckte die Zähne, als wollte er sie beißen, und trat dem zusammengekrümmten Häufchen Elend, das vor ihm auf dem Boden lag, brutal in die Rippen. Pippa hörte das tiefe Stöhnen des Jungen und schrie: »Ich hole seinen Vater!«
Der Weißclown hielt inne und sah sie an. »Seinen Vater?«, fragte er höhnisch. »Ich dachte, du drohst mir mit deinem Vater, kleine Schlampe. Der hat mir doch gerade die Abschlussvorstellung auf der Bühne vor der Naseweggeschnappt.« Wieder ein Tritt, beinahe beiläufig. »Geh jetzt, kümmere dich um deine Angelegenheiten. Das hier geht dich nichts an.«
Er beugte sich hinab und griff in das Haar des Jungen, zog ihn daran in die Höhe. Pippa sah Augusts zerschlagenes Gesicht und presste die Faust gegen den Mund, um nicht vor Mitleid zu stöhnen.
»Was habe ich dir gesagt?«, fragte der Weißclown seinen Lehrling. Er schüttelte ihn beinahe zärtlich. »Was habe ich dir immer und immer wieder gepredigt?«
Pippa zerriss es beinahe das Herz, als sie August mit dumpfer Stimme antworten hörte: »Ich nehme niemals auf der Bühne meine Nase ab.«
»Richtig, mein Junge.« Der Weißclown lächelte und verpasste August eine schallende Ohrfeige. »Und was habe ich dir noch gesagt?«
»Ich darf Kinder, die vor Schreck oder Angst weinen, nicht trösten, sondern muss versuchen sie zum Lachen zu bringen. Ich bin ein Clown, und Clowns bringen Kinder immer zum Lachen.« Augusts Stimme zitterte, als er die Regel herunterbetete.
»Richtig, mein Junge.« Alonso hob die Hand für die nächste Ohrfeige, aber Pippa hing ihm schon am Arm.
»Ich rufe jetzt auf der Stelle seinen Vater«, sagte sie laut und wütend. »Ich mache hier und jetzt vor all dem Publikum da draußen einen Skandal, dass sie dich mit Peitschen und unter Buhrufen vom Gelände jagen!«
August murmelte: »Nicht, Pippa!«, aber sie ließ sich nicht beirren.
Auge in Auge mit dem alten Weißgesicht stand sie da.Er starrte sie an, und in seinen Augen glomm ein rötlicher Funke, der kein Zorn war, sondern etwas noch viel Furchterregenderes.
Dann ließ er August los und wischte sich die Hände ab, als klebte Schmutz daran. »Wie du willst, du dummes Ding.« Sein verächtlicher Blick traf den jungen Clown, der vor ihm auf den Knien lag und vor Schmerz leise wimmerte. »Morgen früh«, sagte er kalt. »Wir proben Gobbo, das lustige Pferd. Wehe, du bist nicht pünktlich.«
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging davon. Knallend und prasselnd explodierte die erste weiß-goldene Garbe des Feuerwerks am Himmel und beleuchtete den davonschlendernden Weißclown. Pippa bemerkte schaudernd die roten Spritzer auf seinen strahlend weißen Strümpfen.
Sie kniete neben August nieder. Über ihnen erstrahlte der Pfauenschweif und rieselte der Goldregen vom Himmel, ferne Stimmen schrien ihre Begeisterung heraus. Kleine rote Sterne zerplatzten in viele silberne Punkte, heulend zog eine Rakete einen Feuerschweif hinter sich her und zerknallte in einem Blütenregen aus blauen, grünen und gelben Funken. Pippa hatte keinen Blick dafür übrig.
August wischte sich das Blut von seinen geschwollenen Lippen und der Nase und versuchte zu lächeln. »Das war mutig von dir«, sagte er undeutlich und spuckte geronnenes Blut aus. »Jetzt hast du einen Feind, Pippa.«
Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Rock und wischte damit vorsichtig über sein Gesicht, um das Blut und die
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