Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
Vom Netzwerk:
beiseite, sie war nicht hungrig. »Hast du ihn heute gesehen?«
    Josefina presste die Lippen zusammen. »Er probt auf der Wiese mit Herrn Alonso. Ich habe nur sein Hinterteilin einem Pferdekostüm gesehen.« Sie senkte den Blick und rührte in ihrer Tasse.
    »Mama, der Weiße schlägt August. Er schlägt ihn schlimm. Ich habe die beiden gestern Abend …« Sie unterbrach sich. August hatte seine Mutter nicht aufregen wollen, aber Pippa hatte das Gefühl, dass Josefina sehr wohl wusste, was der Weißclown mit August machte.
    Die Garderobiere seufzte. »Was soll ich tun?«, fragte sie beinahe unhörbar. »Herr Alonso ist der Beste. August wird nie wieder einen Ausbilder finden, der seine Klasse hat.«
    Pippa schnappte nach Luft. »Aber er schlägt ihn!« Sie trank einen großen Schluck Schokolade, um sich zu beruhigen. »Ich würde niemals bei einem Ausbilder bleiben, der mich schlägt.«
    »Liebes, das muss jeder Lehrling und jedes Lehrmädchen erdulden«, wandte die Garderobiere ein. »Ich weiß nicht, wie viele Maulschellen und Kopfnüsse ich von Madame Portia bekommen habe, als ich noch ihr Lehrmädchen war.« Sie seufzte, aber es war kein unglückliches Seufzen. »Sie war die Allerbeste«, fügte sie hinzu. »Du bist natürlich privilegiert, mein Kind. Du lernst bei deinem Vater, der sicherlich mit dir zufrieden ist und dich niemals schlagen würde.«
    »Mein Vater ist mit niemandem zufrieden«, sagte Pippa bitter. »Ich glaube nicht, dass August gerne Clown ist«, fuhr sie nach einer Pause fort. »Er hat Mitleid mit den Kindern, er tröstet sie, wenn sie vor Schreck weinen.«
    Josefina hob die Schultern und senkte sie wieder.»Was soll ich sonst mit ihm machen? Er ist nicht der Klügste, mein August. Zum Schauspieler taugt er nicht, er ist nicht besonders musikalisch, er kann nichts wirklich gut.«
    Pippa schüttelte verständnislos den Kopf. »Er hat geschickte Hände«, sagte sie. »Er ist geduldig und freundlich. Er ist nicht dumm, nur ein bisschen langsam.«
    »Was soll ich tun, was meinst du?« Josefina trank ihren Tee und beobachtete Pippa über den Rand ihrer Tasse hinweg. In ihren hellen Augen standen Tränen.
    Pippa beugte sich impulsiv vor und umarmte die Garderobiere. »Du warst immer so lieb zu mir«, flüsterte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du August gerne in den Händen des alten Weißgesichts siehst.«
    Josefina schüttelte den Kopf. »Aber sein Vater …«, sagte sie zögernd. »Nando hat Herrn Alonso zwar untersagt, den Jungen zu schlagen, weil ich ihn darum gebeten habe. Aber er findet, dass die harte Zucht dem Jungen guttut. Er glaubt, dass August zu weich ist. Ein Prinzipal muss hart gegen sich sein und sich durchsetzen können. August kann das nicht. Aber eines Tages wird er der Prinzipal sein, und dann muss er stark sein.«
    Pippa sah sie ratlos an. Die Garderobiere drehte ihre leere Tasse in der Hand und blickte darauf nieder, als könnte sie darin eine Antwort finden.
    »August könnte bei Hans in die Lehre gehen«, versuchte Pippa einen Vorstoß. »Hans ist immer gut gelaunt und nie ungeduldig oder böse zu seinen Lehrlingen …«
    Josefina riss den Kopf hoch und sah Pippa entsetzt an. »Ein Bühnenarbeiter?«, sagte sie so laut, dass sich dieMänner, die am anderen Ende des Unterstands saßen, zu ihr umdrehten. »Ein Bühnenarbeiter?«, wiederholte sie flüsternd. »Unser Sohn?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nando würde sterben vor Scham«, wisperte sie.
    Pippa seufzte und stützte das Kinn auf die Hand. »Dann muss er weggehen. Ganz weg. Ehe das alte Weißgesicht ihn noch totschlägt.«
    Josefina sah sie an, als spräche sie in einer fremden Sprache. »Wie meinst du das, ›weg‹?«
    »Na, fort von hier. Weg vom Theater.« Pippa deutete vage nach draußen. »Er könnte in einem der Orte bleiben, durch die wir kommen. Er findet bestimmt eine Arbeit.«
    Die Garderobiere hatte den Mund leicht geöffnet und die Stirn gerunzelt. »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte sie schließlich scharf. »Du redest wirres Zeug, mein Kind.« Sie nahm ihre Tasse und den unberührten Teller mit Broten und stand auf. »Ich muss zurück zur Probe.«
    Pippa sah ihr verblüfft nach. Was war das für eine seltsame Reaktion? Mama Josefina hatte so getan, als hätte sie Pippa nicht verstanden.
    Sie nahm ihre Tasse und stand auf. Wahrscheinlich konnte Josefina einfach nur den Gedanken nicht ertragen, dass August nicht mehr da war. Lieber ließ sie ihn von Alonso blutig prügeln. Eltern

Weitere Kostenlose Bücher