Das gefrorene Lachen
zerzauste Haar und schluckte.
»Ist etwas passiert?«, fragte er besorgt.
Pippa machte einen Schritt zurück. Was hatte sie nur bewogen, ihn aus dem Schlaf zu klopfen? »Nein, es ist alles in Ordnung. Entschuldige, ich hätte dich nicht wecken dürfen. Wir können morgen …«
Er war schon unten und hielt sie am Arm fest. »Nun bin ich wach und nun bist du hier«, sagte er nicht besonders freundlich. »Komm rein, du frierst.«
Pippa sträubte sich ein wenig, aber dann ließ sie sich in den Wagen schieben. Die Tür fiel zu.
»Setz dich – äh …« Er sah sich verlegen um und nahm einen unordentlichen Haufen Kleider von einem Hocker. »Bitte.«
Pippa dankte ihm und sank auf den Hocker. Sie kreuzte die Füße, faltete die Hände im Schoß und blickte darauf nieder.
Er ging vor ihr in die Hocke und nahm ihre Hand. »Was ist los?«, fragte er.
Pippa nahm sich ein Herz. »Wollen wir von hier fortgehen?«, fragte sie. »Lancelot, was meinst du? Sollen wir einfach miteinander fortgehen?«
Er blinzelte verdutzt. »Fortgehen? Ja, meinetwegen … Ich muss morgen Abend aber wieder zurück sein. Wohin möchtest du denn gehen?«
Pippa biss sich auf die Lippe. »Nein, ist schon gut.« Sie entzog ihm die Hand und stand auf. »Es war eine dumme Idee. Vergiss einfach, dass ich hier war. Und entschuldige, dass ich dich geweckt habe.«
Er war schneller als sie und lehnte sich gegen die Tür. »Warte«, sagte er. »Das kannst du nicht machen. Ich meine – was genau wolltest du von mir?«
Seine dunkelblauen Augen waren umwölkt, und er trug dieses Schmollen zur Schau, das sie früher einmal so charmant und anziehend gefunden hatte. Jetzt ertappte sie sich plötzlich dabei, dass sie an den blauen Augen die Tiefe vermisste, die glatten blonden Haare langweilig fand und das Schmollen ganz und gar unmöglich.
»Lieber Lancelot«, sagte sie, »lass mich gehen. Ich habe schlecht geträumt und bin noch halb im Traum hierhergekommen. Es war nur die dumme Idee eines albernen Mädchens.« Sie lächelte ihn an.
Er strich sich mit einer Geste die Haare aus der Stirn, die sie auf der Bühne schon oft von ihm gesehen hatte. Pippa unterdrückte ein ungeduldiges Stöhnen. Jetzt musste er sich erst einmal in Pose werfen, danach kam eine Szene und dann würde er sie endlich gehen lassen. Sie begann sich zu fragen, was sie an ihm angezogen hatte.
»Pippa«, begann er, »du bist hierher zu mir gekommen, mitten in der Nacht, hast mich aus dem Schlaf gerissen und mir irgendwelche Dinge erzählt, aus denen ich nicht schlau geworden bin. Und jetzt willst du einfach so wieder davonlaufen und mich hier stehen lassen wie einen dummen Jungen. Das kannst du mit mir doch nicht machen!« Er sah sie vorwurfsvoll an.
»Wie ich schon gesagt habe: Es tut mir sehr leid, Lancelot«, erwiderte Pippa ein wenig gereizt. »Du weißt ja, Frauen sind launisch und kapriziös. Damit müsst ihr Männer leben.« Sie versuchte sich an ihm vorbeizudrängen, aber er streckte den Arm aus und umfasste ihr Handgelenk. Sie sträubte sich, aber er zog sie an sich und sah ihr tief in die Augen. »Ich werde dich jetzt küssen«, verkündete er.
Pippa verdrehte die Augen. »Lancelot, mach jetzt kein Theaterstück daraus«, erwiderte sie ärgerlich. »Du hast kein Publikum, das dir Beifall klatschen könnte. Und jetzt lass mich los!« Sie trat ihm auf die Zehen, und weil sie ihre Pantinen trug und er mit nackten Füßen dastand, reichte das aus, damit er sie losließ und mit einem empörten Schmerzenslaut von ihr wegsprang. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich durch die Tür nach draußen zu schieben. »Schlaf gut«, rief sie leise. »Bis morgen, Lancelot.«
Das erste blasse Morgenlicht legte einen sanften Schimmer über die Wagen und den zertrampelten Platz. Tüten mit Resten von klebrigen Süßigkeiten und feucht zerlaufende, bunte Papierschnipsel übersäten den Boden. Irgendwo kratzte ein Besen über Steine. Aus demSchornstein des Küchenwagens stieg Qualm auf. Der Himmel wechselte die Farbe von Schiefergrau über zartes Rosa zu Blassblau. Pippa atmete die morgenkühle, ein wenig feuchte Luft tief ein und rannte zum Küchenwagen. Heißer Tee und ein Butterbrot, das würde die Geister der Nacht zuverlässig vertreiben.
12
Zerreißt ihn für seine schlechten Verse!
Zerreißt ihn für seine schlechten Verse!
Julius Caesar
Heißer Tee und ein großes Butterbrot. Pippa saß auf dem Hocker im Küchenabteil, kaute und sah dem Koch dabei zu, wie er die Zwiebeln für das
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