Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
Vom Netzwerk:
befreien das Schloss und die Königsfamilie und bringen die Wasserspeier zurück nach Hause.« Sie strich mit dem Finger zart über die hauchdünnen Blätter. »Einen Prinzen gibt es auch«, sagte sie gedankenverloren.
    »Und eine Zaubertochter«, lachte August. Er nahm Pippas Hand und drückte einen schüchternen Kuss darauf. »Du bist die Zaubertochter.«
    »Und du der Prinz«, lachte Pippa und gab ihm einen Klaps. Ihr war mit einem Mal ganz leicht und warm ums Herz. »Und der Prinzipal ist der König und Mama Fina ist die Königin.«
    August prustete. »Meine Eltern sind ungefähr so königlich wie, wie, wie – Hans!«
    Pippa hob zierlich ihren Rocksaum an und machte einen tiefen Hofknicks. »Eure Königliche Hoheit«, wisperte sie.
    August vollführte eine formvollendete Verbeugung. »Mein Fräulein«, erwiderte er lachend. »Ich fühle mich geehrt.«
    Pippa, immer noch lachend, fügte hinzu: »Und mein Vater ist der böse Zauberer!«
    Beiden verging das Lachen. Pippa sank langsam auf den Boden und hockte dort wie ein Häufchen Elend. August kniete sich neben sie und nahm ihre Hand. »Nein, nein, Pippa«, sagte er eindringlich. »Herr Lorenzo ist nur ein Bühnenmagier. Kein böser Zauberer, der Schlösser und Menschen verhext!«
    Pippa schluckte an einer dicken, harten Kröte, diesich in ihren Hals verirrt hatte. »Er ist der böse Zauberer, Gustl«, flüsterte sie. »Er ist so böse, böse, böse. Und ich glaube, dass er Schlösser verhexen kann, o ja!«
    August legte den Arm um ihre Schulter. »Wenn hier jemand ein böser Geist ist, dann ist das sicher das alte Weißgesicht«, sagte er ernst. »Aber es ist doch alles nur eine Geschichte, Pippa.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Gustl. Es ist die Wahrheit. Und wir müssen sie alle retten, hörst du?« Sie schluckte an der Kröte, die einfach nicht hinunterrutschen wollte.
    August drückte stumm ihre Hand. Sie saßen auf dem Boden und klammerten sich aneinander fest wie verängstigte Kinder.
    »Also gut«, sagte Pippa schließlich nach einem energischen Räuspern und stand auf. »Wo steht so ein Schloss? In der Residenz. Und dorthin werden wir jetzt reisen, das passt doch schon mal sehr gut.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und gab sich zuversichtlich. »August, bis wir dort sind, sollten wir das Rätsel gelöst haben.«
    »Ja, Pippa«, erwiderte er folgsam. Er sprang auf die Füße und klopfte seine Hose ab. »Jetzt muss ich aber laufen, ich helfe nämlich beim Abbau.«
    Pippa setzte sich auf die Stufen des Küchenwagens und sah eine Weile dabei zu, wie das Theater Wand für Wand, Brett für Brett, Balken für Balken abgetragen und verstaut wurde. Das Innere musste schon in der Nacht abgebaut worden sein, wahrscheinlich hatten die Männer gleich nach dem Ende der Abendvorstellung damitbegonnen. Sie sah, wie Zarter Blütenzauber mit Eimern voller Suppe und Bergen von Broten über den Platz eilte und dazwischen vor einem der großen Transportwagen stand und alleine ganze Wandteile und riesige Balken hinaufhievte.
    Pippa stand auf und ging zu ihrem Wohnwagen. Sie musste ihrem Vater helfen, die Requisiten und Kostümteile für die Fahrt sicher zu verstauen, und danach würde sie im Kostümwagen vorbeischauen und Mama Josefine helfen oder dem Koch bei seinen Vorbereitungen für das Abendbrot. Am Abbautag wurde immer jede Hand gebraucht.

Zwischenspiel
    Wie eine Schlange, die in einen Ameisenhügel gefallen ist, lag der lange Wagenzug auf dem Platz, umwimmelt von Menschen, die Kisten schleppten, Möbel verstauten, Bretter trugen und Seilrollen und Kisten auf kleinen Handwagen transportierten. Schrauben wurden herausgedreht und Nägel gezogen, Holz splitterte und Finger bluteten, Flüche flogen durch die Luft und Leitern kippten, Füße wurden manchmal rechtzeitig in Sicherheit gebracht und manchmal auch nicht, es wurden blaue Flecken ignoriert und Schürfwunden balsamiert und Schnitte bandagiert und Finger geschüttelt und in den Mund gesteckt, Köpfe vor herabfallenden Dingen geschützt, geschimpft und gerufen, Hektoliter von Suppe und Kubikmeter von belegten Broten gegessen und ganze Zisternen ausgetrunken, Musikinstrumente fielen um und gaben seltsame Geräusche von sich, jemand trat in die Trommel und fiel über die Tuba, Schrankkoffer mit Hüten und Perücken platzten auf, eine Achse brach und ein Dach bekam einen Riss, ein Wagen kippte beinahe um, aber Zarter Blütenzauber richtete ihn wieder auf, der Prinzipal rannte und schimpfte und schrie und

Weitere Kostenlose Bücher