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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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klopfte nachdrücklich mit der Hand auf das Holz. »Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen, mit meinen eigenen beiden Augen!« Wieder klopfte er auf den Tresen.
    »Na«, sagte der Wirt und richtete das Salzfässchen auf, das einen erschreckten Satz gemacht und sich auf die Seite gelegt hatte. »Mach nicht so einen Lärm, Leberecht. Deine eigenen beiden Augen, nun ja.« Er wischte über die Theke und wechselte einen Blick mit dem Fuhrmann, der auf seinem Stammplatz saß und trübsinnig in seinem Tee rührte.
    »Wenn es aber doch die Wahrheit ist!« Der Krämer warf die Hände in die Luft und wandte sich an ein, wie er hoffte, geneigteres Auditorium. »Herr Lehrer. Was sagen Sie dazu?«
    Der Lehrer, der in seine Zeitung vertieft am Fenster saß, schrak hoch. »Wie meinen?«, fragte er und blinzelte über seinen Zwicker.
    »Er war im Theater«, rief eine Marktfrau, die bisherstumm an der Theke gesessen und ein weiches Ei gelöffelt hatte. »Er glaubt, den Hofzauberer erkannt zu haben.« Sie ließ mit bezeichnender Miene ihren Zeigefinger an der Schläfe kreisen.
    »Das habe ich gesehen, Grete«, fuhr der Krämer auf. »Nein, ich habe keinen Vogel und ich war auch nicht bezecht. Das ist ja heutzutage keiner mehr.« Er warf einen traurigen Blick auf den Rest in seinem Humpen, den er sich verwahrt hatte und nun in einem Zug hinunterkippte. »Ah«, machte er. »Das waren noch Zeiten, als ein ehrbarer Mann nach der Arbeit sein ehrbares Bier trinken konnte. Oder auch mal einen Klaren, was, Jasper?«
    Der Fuhrmann grummelte in seinen Tee.
    Der Lehrer legte den Finger gegen die Nase und runzelte die Stirn. »Den Hofzauberer? Welchen Hofzauberer?« Der Krämer eilte an seinen Tisch und zog sich einen Stuhl heran. »Unseren Hofzauberer, Herr Lehrer«, erklärte er eifrig, froh darüber, endlich jemanden gefunden zu haben, der gewillt zu sein schien ihm zuzuhören. »Den Herrn Laurentio.«
    Der Lehrer nahm seinen Zwicker ab und rieb sich verdutzt über die Augen. »Den Herrn Laurentio? Und, hast du mit ihm gesprochen?«
    »Aber nein, das ging ja nicht.« Der Krämer wollte auf den Tisch schlagen, hielt sich aber zurück, als er den Blick des Lehrers auffing. »Entschuldigung«, murmelte er und fühlte sich plötzlich wie der Schuljunge in kurzen Hosen, dem der Lehrer die Ohren lang zog. »Es ging nicht, weil der Herr Laurentio oben auf der Bühne gestandenund gezaubert hat. Mit seinem Fräulein Tochter zusammen, die war nämlich auch da.«
    »Philippa Saffronia?«, rief die Wirtin von hinten. »Die kleine Philippa mit den roten Haaren?«
    »Safrangelb«, murmelte der Lehrer. »Darauf hat sie immer Wert gelegt.« Sein Gesicht war melancholisch.
    »Das wäre aber doch höchst seltsam und wunderlich«, mischte der Wirt sich ein. »Warum sollte denn ein hoch geachteter Herr Hofzauberer sich mit dem fahrenden Volk abgeben?«
    Die Wirtin kam mit Lene im Schlepptau herein und trug eine Terrine von Tisch zu Tisch. »Nun, wenn doch unser lieber alter König Ferdinand, möge er seinen Ruhestand genießen, all sein Gesinde und die gesamte Dienerschaft entlassen hat, dann ist sicherlich auch der Herr Hofzauberer mit einem Mal ohne Arbeit gewesen«, sagte sie praktisch und schöpfte eine ordentliche Kelle Erbsensuppe und eine besonders große Wurst in den Teller des Lehrers. »Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, als Zauberer eine angemessene Stellung zu finden.«
    »Aber beim Theater?«, fragte der Lehrer skeptisch. »Danke, liebe Frau Marthe, danke, das ist mehr als genug. Nein, ich möchte kein Brot.« Er hielt die Hand abwehrend über seinen Teller.
    »Er war es«, beharrte der Krämer. »Ich habe ihn mit meinen eigenen beiden Augen erkannt. Basta.«
    Jetzt mischte sich der junge Andres ein, der neben einer Schütte voll Holz im Winkel auf der Bank hockte. »Meine Mutter sagt, dass sie unseren lieben alten König Ferdinand im Theater gesehen hat.«
    Das Schwatzen, Tellerklappern und Löffeln verstummte. Alle drehten sich zu Andres um. »Was hat deine Mutter gesehen?«, fragte der Wirt laut und ungläubig.
    »Unseren lieben alten König Ferdinand«, wiederholte der Junge geduldig. »Er hatte einen Königsmantel um und eine Krone auf dem Kopf und er hat in Versen gesprochen.«
    Alle fingen gleichzeitig an zu reden. »Aber das ist doch wohl nicht möglich«, rief die Wirtin. »Was für ein dummes Gerede«, der Wirt. »Unser lieber alter König befindet sich dem Vernehmen nach nunmehr in Perancis«, gab der Lehrer zu bedenken,

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