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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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Schwerter.«
    Pippa musste einen Aufschrei unterdrücken. Sie wandte sich von der Rampe ab und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Papa, bitte nicht«, flüsterte sie.
    Er zeigte nur gebieterisch auf die Gasse, in der die Schwertkiste und der Korb mit den glänzenden Waffen stand. »Verehrtes Publikum, meine Assistentin wird sich nun in Lebensgefahr begeben. Ein Applaus für die todesmutige Pippa!«
    Matter Beifall plätscherte dahin und verebbte wieder. Pippa stand wie erstarrt. Nicht die Schwerter, sagte sie stumm und sah ihren Vater eindringlich an. Nicht die Schwerter!
    »Was ist?«, zischelte er und trat dicht vor sie, gab vor, sie zu verzaubern, damit sie die nächste Nummer unbeschadet überstand. »Wirst du wohl gehorchen?«
    »Nicht die Schwerter«, stieß sie atemlos hervor. »Sie sind alle scharf, Papa!«
    »Dummes Zeug.« Er gab ihr einen nicht besonders sanften Schubs in Richtung der Requisiten und wandte sich mit einer weit ausholenden Bewegung an die Zuschauer: »Sie fürchtet sich. Ich möchte Sie um einen ermutigenden Applaus bitten!«
    Ein Bühnenarbeiter trug den Korb mit den Schwertern auf die Bühne.
    Pippa stolperte mehr auf die lange Kiste zu, als sie ging. Ihr Herz schlug schnell und hart. Sie blieb in der Gasse stehen, versuchte sich zu fassen und zu verstehen, woher diese schreckliche Furcht, diese Vorahnung stammte.Bilder zuckten durch ihr Bewusstsein: Blut, das aus ihrer Brust spritzte. Grüner Nebel. Schwerter, die im matten Licht tückisch glänzten.
    Sie schlug die Hände vor den Mund und stürmte aus der Gasse, weg von der Bühne, aus dem Theater. Jemand rief hinter ihr her, aber sie rannte, als würde sie von Dämonen gehetzt. Da waren Schritte, die sie verfolgten. Jemand rannte ihr nach.
    »Sie sind echt«, schluchzte sie, als eine Hand ihren Arm packte und sie festhielt. »Ich gehe nicht zurück! Sie sind scharf, ich werde sterben!« Sie kämpfte blind vor Panik gegen den, der sie festhielt, schlug ihn, trat gegen seine Beine, wollte ihn beißen, aber er hielt sie eng an sich gedrückt und zuckte nur mit einem leisen Stöhnen, als sie ihm in den Rücken boxte.
    »He, ich bin es doch«, sagte eine Stimme, die nicht die ihres Vaters war. »Hör auf, mich zu treten, Pippa.«
    »August.« Mit einem Mal wich alle Kraft aus ihr. Sie ließ zu, dass er sie vom Vorplatz führte und zum Unterstand brachte, auf eine Bank drückte und seine Jacke um ihre Schultern legte. »Bleib sitzen«, befahl er und ging nach hinten, um ihr eine Tasse Tee zu holen.
    Das heiße Getränk beruhigte sie so weit, dass sie August erzählen konnte, was geschehen war. Er hatte sich rittlings neben sie auf die Bank gesetzt und hörte mit großen Augen zu.
    »Du bist einfach aus der Vorstellung gelaufen?«, fragte er ungläubig.
    Pippa konnte es selbst kaum glauben. »Er bringt mich um«, sagte sie mit kleiner Stimme.
    Er schüttelte den Kopf und nahm ihre Hand, um sie zu drücken. »Er ist dein Vater. Er prügelt dich höchstens durch, aber umbringen wird er dich nicht.« Es sollte ein Scherz sein, aber der Zweifel in seiner Stimme machte das zunichte.
    Pippa stöhnte und verbarg das Gesicht in den Händen. »Es klingt völlig irrsinnig, oder?«
    »Ja«, sagte er zögernd. »Aber vielleicht hast du etwas an den Schwertern bemerkt, was anders war als sonst, und deshalb …«
    Pippa schüttelte den Kopf. »Ich habe sie mir nicht angesehen. Ich wusste es einfach.« Bilder. Grüner Nebel. Blitzender Stahl. Blut, das warm an ihrem Bein hinunterlief. Zerschnittene Finger. Sie begann zu zittern. »Ich wusste es einfach. August, was soll ich nur tun?«
    Er stützte das Kinn auf seine Hand und sah sie nachdenklich an. »Ich muss gleich zum Auftritt«, sagte er und deutete auf das moosgrüne Gewand, das er trug. »Du weißt doch, die kleine Rolle im ›Winternachtsmärchen‹. Ich bin nur kurz in der dritten Szene dran. Und ich habe den Prinzipal gefragt, wir dürfen unseren Ausflug machen – unter der Voraussetzung, dass wir ein paar Handzettel mitnehmen.« Er blinzelte ihr zu.
    Pippa atmete erleichtert aus. Heute musste sie ihrem Vater nicht mehr über den Weg laufen. Wenn sie aus der Stadt zurückkehrten, würde sie im Küchenwagen übernachten. Und bis morgen würde ihr etwas einfallen, womit sie Lorenzos Wut besänftigen konnte.

16
    Seid Ihr denn des Wachens auch gewiß?
Mir scheint’s, wir schlafen,
Wir träumen noch.
    Ein Sommernachtstraum
    »Wenn ich es euch doch sage!« Der Krämer beugte sich über den Tresen und

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