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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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tiefen Knicks.
    August stöhnte. Pippa kniff ihn fest in den Arm und schüttelte heftig den Kopf.
    »Wir gehen jetzt«, sagte sie fest. »Herr Lehrer, bitte erklären Sie uns den Weg.«
    »Ich kenne ihn«, sagte August zu ihrer Überraschung. Er klang wütend. »Wir gehen ein Stück zurück und wenden uns dann kurz vor dem Platz in Richtung Fluss. Wenn wir durch die Korbmacherstraße gehen und dann dem Treidelpfad folgen, laufen wir geradewegs auf das Theater zu.« Er presste die Lippen zusammen.
    »Ja, das ist richtig, Eure Hoheit«, sagte der Lehrer erleichtert. »Ihr erinnert Euch recht. Ich ahnte nicht, dass Ihr Euch so gut in Eurer Residenz auskennt.«
    »Ich auch nicht«, fauchte August und ging zur Tür. »Pippa, kommst du?«
    Pippa, die nicht wusste, wo ihr der Kopf stand, bedankte sich noch einmal bei dem Ehepaar und versprach, in den nächsten Tagen – außerhalb der Sperrstunde! – noch einmal auf eine Tasse Tee vorbeizuschauen. Dann lief sie hinter August her, der schon halb draußen auf der Straße war.
    »Warte doch«, rief sie atemlos und schloss zu ihm auf. »Warum rennst du so?« Sie hakte sich bei ihm ein und ließ sich ein bisschen von ihm mitziehen. »Sollten wir nicht besser aufpassen, dass wir der Patrouille nicht in die Arme laufen?«
    Er knurrte gereizt. »Die werden dann wahrscheinlich salutieren und ›Königliche Hoheit‹ zu mir sagen. Aber du hast recht.« Er verlangsamte seine Schritte, bis sie beide zwar immer noch zügig, denn es drängte sie nach Hause, aber dennoch voller Vorsicht nebeneinander durch die tobende Nacht schritten. Sie hatten dieschützenden Häuserzeilen verlassen und gingen über ein freies Feld auf den Fluss zu. Der Sturm riss ihnen den Atem von den Lippen und sein Heulen ließ sie schier ertauben. Sie klammerten sich aneinander voller Angst, durch eine heftige Böe voneinander getrennt und wie seelenlose Lumpenpuppen erneut zurück durch die düstere Stadt getrieben zu werden.
    »Dort vorne beginnt der Treidelpfad. Wir sind bald da.« Er hatte seine Lippen dicht an ihr Ohr gelegt, musste aber trotzdem laut reden, damit Pippa ihn bei dem Heulen und Tosen des Sturms verstehen konnte.
    Sie hielt sich an ihm fest und schnappte nach Luft. Sie waren noch nicht in Sicherheit. Auch der Pfad, der am Fluss entlangführte, wurde von den Patrouillen kontrolliert. Der Lehrer hatte sie gewarnt, eine Begegnung mit den Gendarmen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, und sie glaubte ihm. Die Angst in seinem Gesicht hatte eine deutliche Sprache gesprochen.
    »Wie weit noch?«, schrie sie. Der Fluss klatschte gegen die Steine, die ihn befestigten, das Wasser war aufgewühlt von den Böen, die über ihn hinwegpfiffen. Schaum tanzte auf dem Wasser, wurde losgerissen und über den Pfad getrieben.
    »Dort vorne, die Lichter.« August wies voraus und Pippa kniff die Augen zusammen. Der warme Schein von Gaslampen und das tanzende Licht der Fackeln lockten in der Dunkelheit. Sie hätte sich nicht vorstellen können, dass die Aussicht, bald wieder in ihrer Hängematte zu liegen, sie jemals so glücklich stimmen würde.
    »Gehen wir morgen wieder in die Stadt?«, fragte sie. »Um ihm die Gedichte zu zeigen?«
    August nickte stumm, um seinen Atem zu sparen, und drückte ihre Hand.
    Seltsam getröstet und glücklich lief sie neben ihm her auf die Lichter des Theaters zu, die mit jedem ihrer Schritte heller und wärmer aufleuchteten und sie willkommen hießen.

18
    Kein Wesen gibt’s, das nicht gebunden wär.
    Komödie der Irrungen
    Die Feuertonnen am Eingang waren schon erloschen, auch wenn sie immer noch Wärme abstrahlten, als Pippa und August an ihnen vorüberliefen. Auf dem Platz brannten noch Lampen und einige Fackeln, aber Hans ging schon von einem Licht zum nächsten und löschte sie aus. Er winkte ihnen zu, rief: »Na, hattet ihr einen schönen Abend?« und ging pfeifend weiter zur nächsten Lampe.
    Die bunten Fahnen auf dem Bühnenhaus knatterten heftig und schlugen gegen ihre Befestigungen, aber im Rund der Wohnwagen war es nahezu windstill.
    August blieb vor dem Wagen des Prinzipals stehen und blickte sich um, als sähe er den vertrauten Platz und das dunkle Theater zum ersten Mal. Der Zorn war aus seinem Gesicht verschwunden und hatte einer nachdenklichen Miene Platz gemacht.
    »Was denkst du?«, fragte er unvermittelt.
    Pippa, die sich immer noch an ihm festhielt, als wäre er ihr Anker in einem reißenden Fluss, schüttelte den Kopf. »Es ist alles so verwirrend, dass ich

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