Das gefrorene Lachen
waren.
»Verstehst du das alles?«, fragte sie schließlich und leckte den letzten Rest aus ihrer leeren Tasse.
Der Koch seufzte lautlos. Er sah unglücklich aus. Seine große Hand beschrieb eine verschlungene Kurve zwischen sich und Pippa und landete schließlich sacht auf ihrem Knie.
»Du hast dir Sorgen gemacht?«, fragte sie erstaunt. »Aber warum? Wusstest du von der Sperrstunde und den Gendarmen?«
Er wiegte den Kopf, was weder ja noch nein bedeutete. Dann hielt er sich die Hand vor den Mund, sah Pippa darüber hinweg an, schüttelte den Kopf und bewegte die Finger der anderen Hand mit trippelnden Bewegungen.
»Wir hätten nicht gehen dürfen, weil es zu gefährlich ist?« Pippa lachte. »Aber die Leute dort waren alle sehr freundlich zu uns. Es war nur so ein Schreck, dass sie uns zu kennen glaubten.« Sie wandte den Kopf und blickte zur Wand mit den Gedichten. »Morgen gehen wir den Lehrer besuchen. Vielleicht weiß er etwas, was uns nutzen kann.«
Ein riesiger, starker Arm schlang sich um sie und drückte sie gegen weiche Seide und einen hastig atmenden Körper. Pippa unterdrückte einen erschreckten Aufschrei und quietschte nur gedämpft. »Zarter, lass mich los. Was ist denn mit dir?«
Der Koch hielt sie fest an sich gedrückt und seine Hände tätschelten ungeschickt ihren Rücken. Sie hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Die dunklen Augen des Kochs waren weit aufgerissen und voller Angst, und Tränen liefen aus ihren Winkeln über seine runden Wangen.
»Zarter«, sagte Pippa erschreckt. »Oh, bitte nicht. Ichwerde vorsichtig sein, das verspreche ich dir. Wir gehen früher los, damit wir vor der Sperrstunde wieder zurück sind. Der Lehrer ist sehr lieb, von ihm haben wir sicher nichts zu befürchten.«
Zarter Blütenzauber ließ sie endlich los. Er schüttelte in stummem Protest den Kopf, und immer noch rannen Tränen über sein Gesicht. Pippa rieb seine Hand und murmelte beruhigende Worte.
Endlich versiegten die Tränen, der Koch trocknete sich mit dem Ärmel die Augen und holte tief Luft. Er nickte Pippa zu und hob mit einer resignierenden Geste die Schultern.
»Du musst dir keine Sorgen um mich machen«, sagte Pippa. »Außerdem darfst du dich nicht beschweren, schließlich bist du an dem ganzen Schlamassel schuld!«
Sie hatte nur einen Scherz darüber machen wollen, dass die Gedichte des Kochs August und sie so sehr ins Grübeln brachten, aber ihre Worte schienen ihn tief zu treffen. Er legte voller Entsetzen beide Hände vor den Mund, dann verbarg er das Gesicht in den Händen und ließ diesen schrecklichen klagenden Laut hören, über den Pippa sich schon einmal zu Tode erschreckt hatte.
»Zarter, was habe ich gesagt?«, rief sie. »Ich wollte dir nicht wehtun. Es war ein Scherz, wirklich, nichts weiter! Deine Gedichte sind wunderbar und rätselhaft und du kannst doch nichts dafür, dass ich sie nicht verstehe!«
Der Koch ließ sich diesmal nicht trösten. Er klagte wortlos, rollte sich auf dem Sofa zusammen und verbarg das Gesicht vor Pippa.
Sie hockte noch eine Zeit lang unglücklich neben demBerg aus Muskeln und Verzweiflung und streichelte seine Schulter, dann stand sie auf und sagte leise: »Ich gehe jetzt. Ist das in Ordnung?«
Der Riese rührte sich nicht, gab nicht zu erkennen, dass er sie gehört hatte. Pippa trat noch eine Weile unschlüssig von einem Fuß auf den anderen, dann wandte sie sich um und verließ den weinenden Koch.
Draußen schaute sie zum Himmel, auf dem immer noch Wolkenfetzen vor dem Sturmwind davoneilten. Hier und da blitzte ein Stern zwischen den Wolken hervor und verschwand gleich wieder. In der Ferne tobte und klagte der Wind wie ein verletztes Tier.
Pippa war trotz aller Müdigkeit viel zu aufgewühlt, um an Schlaf zu denken. Sie wanderte ziellos über den Platz, an den dunklen Wagen vorbei, zwischen den beiden Außenbühnen hindurch und öffnete dann die Tür des Bühneneingangs.
Es war finster. Hier drinnen war das Orgeln des Sturms noch viel deutlicher zu hören als auf dem Platz. Die Tür fiel hinter ihr zu und das Echo hallte durch das hoch über ihrem Kopf aufragende Bühnenhaus. In der Ferne war ein erschreckter Flügelschlag zu hören.
Pippa wartete, bis ihre Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten und sie zumindest schemenhaft erkennen konnte, wo Dinge in ihrem Weg standen. Sie schlängelte sich zwischen Kisten, Bühnenteilen und Möbelstücken hindurch, stolperte einmal über eine Seilrolle und ein zweites Mal über einen quer liegenden
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