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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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hartnäckig. Sie hatte Baldvins Hand immer noch nicht freigegeben und spürte, wie seine Handfläche feucht wurde. »Sag mal, warst du nicht am Sonntag hier?«
    Baldvin zögerte, ob wegen des langen Händedrucks oder wegen der Frage. »Ich? Nein, das muss ein Missverständnis sein«, sagte er und lächelte anbiedernd.
    »Wirklich?«, sagte Dóra mit gespieltem Erstaunen. »Ich dachte, ich sei auf dem Weg hierher hinter dir durch den Tunnel gefahren. Vielleicht täusche ich mich ja auch.« Sie lockerte ihren Griff, und Baldvin zog seine Hand zurück, so als hätte er es mit einer Aussätzigen zu tun.
    »Ja, muss wohl so sein. Ich war jedenfalls woanders.« Er blickte von Dóra zu Vigdís. »Vielen Dank«, sagte er und wandte sich vom Tresen ab. »Nett, dich kennenzulernen«, sagte er zu Dóra und bleckte die Zähne. Ein echter Politiker.
    »Gleichfalls«, entgegnete Dóra und lächelte zurück. »Er lügt wie gedruckt«, sagte sie leise zu Matthias, und fragte dann an Vigdís gewandt: »Kannst du dich erinnern, dass er am Sonntag hier war?«
    Vigdís schüttelte den Kopf und gähnte. »Nein, ich hab ihn erst zweimal getroffen. An dem Tag, als er seinen Großvater gebracht hat und dann an dem Abend, als wir die Séance hatten.«
    Dóra stützte sich auf den Empfangstresen. »Da war er hier?«
    »Ja, hab ich doch gesagt. Er kam und hat mit seinem Großvater zu Abend gegessen, und dann sind sie zu der Séance gegangen. Ich glaube, sie haben ziemlich schnell gemerkt, dass das nichts für sie ist – in der Pause waren sie nämlich verschwunden.«
    Dóra starrte Matthias mit aufgerissenen Augen an. Er reagierte mit einem Fingerzeig in Vigdís’ Richtung, die offenbar im Begriff war, zu gehen. Dóra sah sofort, worauf Matthias hinauswollte. Vigdís hielt einen Schlüssel in der Hand, der genauso aussah wie der, den sie in der Schublade in Kreppa gefunden hatten. »Ist was?«, fragte Vigdís, irritiert, dass die beiden noch nicht gegangen waren. »Ist was mit dem Zimmer für die Kinder nicht in Ordnung?«
    »Äh, nein, nein«, antwortete Dóra und starrte den Schlüssel an. »Dürfte ich wohl mal den Schlüssel da sehen?« Sie zog den anderen Schlüssel heraus. »Ich habe nämlich auch so einen und wüsste gerne, worauf er passt.«
    »Das ist der Schlüssel für meinen Mitarbeiterschrank«, sagte Vigdís und reichte ihn Dóra widerwillig. »Wenn du so einen Schlüssel gefunden hast, gehört er vermutlich einem Kollegen. Kommt vor, dass sie verloren gehen.«
    Dóra nahm ihn in die Hand und verglich die beiden Schlüssel. Sie waren fast identisch. Sie gab Vigdís ihren Schlüssel zurück. »Ich glaube, dieser gehört keinem Mitarbeiter«, sagte sie. »Weißt du, ob Birna Zugang zu den Schränken hatte?«
    Vigdís dachte nach. »Nicht, dass ich wüsste, ist aber durchaus möglich. Die Schränke sind erst vor kurzem aufgestellt worden. Birna hat sie ausgesucht und bestellt. Vielleicht hat sie einen für sich reserviert.« Sie ging um den Tresen herum. »Kommt mit«, sagte sie und marschierte los. »Es sind nicht sehr viele Schränke, ihr könnt den Schlüssel einfach ausprobieren.«
    Dóra und Matthias folgten Vigdís in einen Mitarbeiterraum mit an der Wand aufgereihten Stahlspinden. »Darf ich einfach probieren?«, fragte Dóra mit dem Schlüssel in der Hand.
    »Bitte sehr«, antwortete Vigdís. »Nummer sieben kannst du auslassen, das ist meiner.«
    Dóra testete die Schlösser. Es dauerte nicht lange, denn der Schlüssel passte zum dritten Schrank. Als er sich im Schloss drehte, hörte sie ein leises Klicken. Vorsichtig packte sie den Stahlgriff und öffnete. Dann holte sie tief Luft, warf Matthias einen Blick zu und spähte in den Schrank. Fast umgehend drehte sie sich wieder um und schaute ihn enttäuscht an. »Leer. So ein Mist.« Sie gab Matthias den Blick frei. Als er sich nicht direkt wieder umdrehte, sondern seinen Kopf tiefer in den Schrank steckte, klopfte sie ihm ungeduldig auf den Rücken. »Was ist denn? Siehst du was?«
    »Da klebt was«, tönte seine Stimme dumpf aus dem Stahlschrank. »Habt ihr eine Pinzette?«, fragte er, als er sich wieder aufrichtete. »Falls dieser Zettel wichtig ist, sollten wir keine Fingerabdrücke darauf hinterlassen.«
    Dóra schaute zu Vigdís. »Gibt’s hier einen Verbandskasten?« Sie steckte ihren Kopf in den Schrank und sah ein kleines weißes Viereck, das mit Klebeband an der Decke befestigt war. Die Ränder des Papiers waren nicht gerade, sondern leicht gezackt. »Was ist das

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