Das gefrorene Licht. Island-Krimi
»
Kreppa«,
und wenn sie Glück hatte, war das der Name des Hofes. Sie klappte das Buch zu und stopfte es in ihre Reisetasche. Die Putzfrauen würden bestimmt nicht darin herumwühlen.
Jónas wirkte beunruhigt und nicht so jovial wie sonst. Er bot Dóra einen der unbequemen Gästestühle vor seinem Schreibtisch an und ließ sich anschließend selbst in den gepolsterten Ledersessel dahinter fallen. Diesmal gab es, zu Dóras Erleichterung, keinen Kräutertee.
»Was wollte die Polizei, Jónas?«, fragte Dóra, um das Eis zu brechen.
Jónas stöhnte. »Wissen etwa alle, dass die hier waren?«
»Tja, ich kann nicht für alle sprechen, aber es wissen bestimmt noch einige außer mir. Selbst Leute, von denen man es am wenigsten erwartet, wittern die Polizei sofort.«
Jónas stöhnte wieder, diesmal wesentlich lauter. Er schob einen silbernen Armreif mit einem großen braunen Stein aus seinem linken Ärmel und strich abwesend darüber, bevor er die Frage beantwortete. »Sie haben eine Leiche am Strand gefunden. Eine Frauenleiche, und sie glauben, dass es Birna ist. Die Architektin, von der ich dir gestern erzählt habe.« Er konzentrierte sich wieder auf seinen Armreif, strich konzentriert darüber, diesmal mit geschlossenen Augen.
»Aha«, entgegnete Dóra. »Haben sie etwas über die Todesursache gesagt? Für Tote am Strand kann es alle möglichen Gründe geben. Selbstmord ...«
»Ich glaube nicht, dass sie sich umgebracht hat«, sagte Jónas benommen. »Sie war nicht der Typ dafür.«
Dóra brachte es nicht fertig, ihm zu erklären, dass es keine typischen Selbstmord-Charaktere gab. »Jónas, was hat die Polizei gesagt? Über den Leichenfundort?«
Jónas blickte von seinem Armreif zu Dóra. »Nichts Konkretes. Ihr Verhalten und das, was sie nicht gesagt haben, war auffällig.« Er wandte sich wieder seinem Armreif zu. »Wenn sie zum Beispiel ertrunken wäre, auf einem Stein ausgerutscht oder irgendwas, das auf einen Unfall schließen lässt, dann hätten sie mich wahrscheinlich nach ihren Gewohnheiten gefragt. War sie viel draußen? Fuhr sie Kajak? Schwamm sie im Meer? Aber danach haben sie mich nicht gefragt. Das Einzige, was sie wissen wollten, war, ob hier jemand vermisst würde und ob ich eine gewisse Frau kennen würde, die sie mir dann oberflächlich beschrieben haben.« Jónas schaute Dóra plötzlich an. »Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war es schon seltsam, dass sie ihre Gesichtszüge nicht beschrieben haben. Ob der Kopf fehlte?« Schnell fügte er hinzu, bevor Dóra antworten konnte: »Nein, wohl kaum, sie haben die Haarfarbe beschrieben.« Dann riss er die Augen auf. »Oder ist es möglich, dass jemand den Kopf abgetrennt, ihn skalpiert und die Haare auf die Leiche gelegt hat?«
Dóra machte seinen Hirngespinsten ein Ende. »Ich glaube, da geht deine Phantasie mit dir durch. Ich finde allerdings auch, dass es so klingt, als hätten sie einen Verdacht, der über einen Unfall hinausgeht.« Dóra formulierte ihre nächste Frage sehr zögerlich: »Hat die Polizei ihr Zimmer untersucht?«
»Einer von ihnen hat kurz reingeschaut. Der andere hat im Flur gewartet. Er war nur eine Minute oder so drinnen, kam dann wieder raus und hat nur den Kopf geschüttelt.«
»Er hat dich nicht gefragt, wer alles einen Schlüssel dazu hat?« Eine leichte Röte kroch über Dóras Wangen.
»Nein, aber sie haben strikt verboten, dass jemand das Zimmer betritt, bevor die Kripo ihre Untersuchung beendet hat. Dann wollten sie Birnas Wagen sehen. In einer kleinen Tüte hatten sie einen Schlüssel, der passte.«
Dóra nickte nachdenklich. Im Grunde gab es keinen Zweifel an der Identität der Toten. »Tja, also.« Sie schaute zu Jónas und musste sich sehr zurückhalten, ihn nicht zu bitten, die Spielerei an seinem dämlichen Armreif zu unterlassen. Es hatte bestimmt etwas mit alternativen Heilmethoden, Kraftquellen oder dergleichen zu tun. »Wer hätte Birna denn umbringen wollen? War sie in Schwierigkeiten?«
Jónas schüttelte langsam den Kopf. »Nein, sie war ganz normal.« Dóra konnte sich nicht vorstellen, was er als normal empfand, ging jedoch davon aus, dass sein Maßstab ein anderer war als ihrer. »Ein toller Mensch und eine hervorragende Architektin.« Jónas lächelte verlegen. »Allerdings ein echter Steinbock, unbeirrbar und hartnäckig. Aber anständig. Hochanständig.«
»Gab es denn niemanden, der schlecht mit ihr auskam?«, fragte Dóra. »Fällt dir jemand ein, der Differenzen mit ihr gehabt haben
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