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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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wurde ans Rote Kreuz verwiesen. Rief dort an und bekam nach einer Weile die gewünschte Auskunft. Wegen der vielen Einsätze während des Tages hatte die Besatzung von Kotisseks Krankentransport nur aus zwei Mitarbeitern bestanden, Notdisposition.
    Einer war Rettungsassistent Thorben Bahling.
     
    DER REGEN PRASSELTE IN BÖEN gegen die Fensterscheiben. Als würde jemand Sand auf den Deckel eines Sarges werfen, Schaufel für Schaufel.
    Corinne an ihren Schläuchen, weit weg. Geäderte Marmorhaut. Das Gesicht ein Relief. Der Körper gut verborgen unter der Krankenhausdecke. Eine Hand schaute heraus.
    So hatte sie es auch früher gemacht, sich eingemummelt bis unters Kinn und an der Seite eine kleine Öffnung gelassen, Belüftungsloch. »Gute Nacht« gesagt, laut und deutlich. Und dann: »Träum was Schönes, Papa.«
    Das würde ihm nicht mehr gelingen.
    Der Psychodoktor von der Polizei hing eingenickt in seinem Stuhl. Ob der ihr helfen konnte? Corinne war doch nur ein Fall unter vielen. Die glaubten allen Ernstes, so etwas ließe sich therapieren. Heilen. An ein paar Schräubchen drehen, und das Mädchen tickte wieder richtig. Als ob das die Ursache beseitigen würde.
    Er hatte es selbst in die Hand genommen, gerade eben erst, ein paar Zimmer weiter. Alles erfahren. Und die Ursache mit Stumpf und Stiel ausgemerzt. Unter Schmerzen.
    Viel zu spät.
    Die Infusionen liefen, hielten Corinne am Leben. Was erwartete sie, wenn sie aufwachte? Welche Zukunft hatte eine Kindsmörderin?
    Er verzieh seiner Tochter, komme, was wolle. Würde sie ihm jemals verzeihen? Dass er nicht da gewesen war, als sie ihn am meisten gebraucht hatte?
    Seine Finger starrten vor Blut. Er streckte sie aus, wollte Corinnes saubere Hand berühren.
    Milan näherte sich dem Mann von hinten, schwang die Arme über seinen Kopf und zog an den Handschellen. Ging mit ihm zu Boden. Milan zog fester. Die Kette grub sich in die Schlagader.
     
    DAS STÖHNEN WAR KAUM ZU HÖREN. Es kam vom Ende des Ganges, aus dem Geräteraum der Station, wie Heide einer kleinen Tafel entnahm. Sie versuchte die Tür zu öffnen, musste sich dagegenstemmen. Irgendetwas blockierte.
    Zwischen Waschschüsseln, Sauerstoff- und Druckluftflaschen lag zusammengekrümmt Thorben Bahling. Sein Gesicht war ein unförmiger Klumpen, die Rettungskleidung besaß kaum noch weiße Stellen. Matschiges, schwarzes Blut rann zwischen seinen Beinen hervor.
    Neben ihm eine Krücke. Damit musste ihn jemand so zugerichtet haben. Und mit allem, was sonst noch zur Hand gewesen war.
     
    JAKUB WARF SICH auf die beiden Männer, sie rollten zur Seite, die Kette lockerte sich. Er brachte seine Hand dazwischen und brüllte Milan an, sofort aufzuhören.
    Klaus Bahling bekam wieder Luft, hustend und spuckend, aber es gelang ihm nicht, sich zu befreien.
    Jetzt schrie auch Milan, unzusammenhängendes Zeug. Sie rangen miteinander, zu dritt, krochen mit strampelnden Beinen über den Boden.
    Ein Krankenpfleger stürzte hinzu und hielt Milans gefesselte Handgelenke fest. Zusammen mit Jakub gelang es ihm, die Männer voneinander zu trennen.
    Schwer atmend blieben sie sitzen. Milan stieß Beschuldigungen hervor, Klaus Bahling konnte noch nicht reden.
    Corinne schlief.
     
    DER GEFANGENENTRANSPORTER fuhr Richtung Präsidium ab. Kurz darauf trafen Raupach und Photini ein. Heide klärte die beiden auf, dann fuhren sie hinterher. Jakub blieb im Krankenhaus zurück, unterstützt von einem Bewachungsteam. Die Nacht würde noch lange dauern.
    Klaus Bahling und Milan landeten in verschiedenen Arrestzellen, auch Vera, zum Schutz vor sich selbst, und Nicolas, der sich freiwillig anschloss aufgrund seiner Straftaten, wie er es formulierte. Die Polizisten konnten den Jungen ohnehin nicht weiter betreuen.
    Später riefen sie ihn noch einmal, damit er Teile der Geschichte bestätigte. Er tat es, gelöst, gar nicht müde. Ohne Rachegedanken, das war erledigt.
    Der Vater hatte die Wahrheit aus seinem Sohn herausgeprügelt.
    Es fing an, als Corinne zwölf gewesen war und Thorben fünfzehn. Von Anfang an Vergewaltigung, reine ungehemmte Machtausübung. Meistens unten im Schuppen, wenn sie von der Schule nach Hause kam und Thorben sie abpasste. Manchmal auch in Corinnes Zimmer, zeitlich abgestimmt auf Veras Arbeitszeiten und Nicolas’ Unterricht. Erst mit Gewalt und der Hand vor dem Mund. Dann unter der Drohung, es überall herumzuerzählen. Oder zu behaupten, Corinne habe es selber gewollt und ihn verführt. Dreiste Lügen, die das Mädchen

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