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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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war verboten. Damit er kein Unheil anrichtete, wie Mama sagte. Mama war aber selten zu Hause, und in den Schuppen kam sie noch viel seltener.
    Deshalb bekam sie seine Figuren nie zu sehen. Nicolas gab ihnen Gesichter. Die gelangen ihm ziemlich gut, wie er fand. Freundlich schauten sie nicht gerade drein. Eigentlich sollten es Schachfiguren werden, und die durften ja nicht freundlich aussehen. Eher grimmig, bereit für den Kampf. Aber am Ende schnitzte er so lange daran herum, dass eine wie die andere aussah. Immer die gleiche Teufelsfratze, meinte Otto. Obwohl sich Nicolas so viel Mühe gab.
    Der Schuppen hatte ein Fenster. Man konnte auf den Hinterhof hinaussehen, auf die Beete, jedes gehörte einer anderen Partei des Mietshauses. Irgendwann hatte es mächtig Ärger gegeben, Nicolas hatte den gesamten Garten verwüstet. Er hatte mit dem Spaten alles, was wuchs, kurz und klein gehauen, Tomaten, Sellerie, Kohlrabi, er hatte die endlos austreibenden Pflanzen nicht mehr ertragen können.
    Damals hatte Otto ihn in Schutz genommen und den Schaden ersetzt, soweit das möglich war. Otto war sein Kollege, der brachte alles wieder ins Lot.
    Wo er bloß blieb? Otto hatte schon beim Frühstück gefehlt. Mama hatte sich geärgert, und dann hatte sie sich Sorgen gemacht. Doch er tauchte früher oder später immer wieder auf. Außerdem war jetzt Wochenende, die Hausaufgaben, bei denen Otto ihm half, konnten noch warten.
    Nicolas schnitzte weiter an seiner Figur.
     
    »ICH FINDE das ganz schön hinterhältig.« Toni Kotissek, im Milieu Tütentünn genannt, betrachtete den Kommissar und dann seinen Freund Gerd, der sich als Bulle entpuppt hatte. »Du hast mir was vorgemacht.«
    »Heutzutage kann man niemandem mehr trauen«, sagte Raupach. »Überall Lüge und Verstellung. Wir von der Polizei müssen da ein Stück weit mitziehen, sonst sehen wir alt aus.«
    »Mir kommen die Tränen.«
    »Köln ist eine Bühne. Die Heldenrollen sind vergeben, also spielen wir die unbeliebten Typen, die Kerle mit den Handschellen, mit dem Knüppel und dem Sack.«
    »Ich versteh nur Bahnhof«, sagte Kotissek und drehte sich zu Höttges. »Ist der immer so?«
    Der Kommissarsanwärter nickte. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
    »Höttges hat in meinem Auftrag gehandelt«, fuhr Raupach fort. »Er ist unser bester Mann für Aufgaben wie diese. Dass Sie ihm auf den Leim gegangen sind, ist keine Schande.«
    Kotisseks Brust wölbte sich unter seinem karierten Hemd. »Bin ja nicht von gestern.«
    Leere Bierflaschen auf dem Tisch, eine angebrochene Flasche No-Name-Wodka. Höttges hatte ganze Arbeit geleistet, ohne Rücksicht darauf, dass er Alkohol auf nüchternen Magen nicht vertrug. Die Mahlzeit, die der Tünn ihm in Aussicht gestellt hatte, war ein schlechter Witz gewesen: matschige Salzletten. Er würde jetzt ganz gern nach Hause gehen und das Wochenende mit Essen und Schlafen verbringen.
    Nummer 85, drei Parzellen vom Tatort entfernt. Das Häuschen bestand aus zwei Räumen: einer kleinen Küche mit einem Tisch und einer Eckbank, wo Kotissek und die beiden Polizisten saßen, und einem Vorraum, in dem sich ein Rasenmäher und andere Gartengeräte befanden. Auf dem Holzboden lag eine Matratze, umgeben von der Habe des Obdachlosen, auf zahllose Plastiktüten verteilt, deswegen wohl der Spitzname Tütentünn. Daneben ein Heizlüfter.
    »Dann kann ich mir wohl eine neue Bleibe suchen«, sagte Kotissek frustriert und tastete nach dem Wodka.
    »Warum?« Raupach stellte die Flasche auf den Boden. »Sie haben’s doch recht nett hier.«
    »Sie schmeißen mich raus, oder? Ist doch nicht erlaubt, dauerhaft hier zu wohnen.«
    »So wie ich das sehe, sind Sie eine Art Hausmeister, der hier ab und zu eine Pause einlegt. Wüsste nicht, was es dagegen einzuwenden gäbe – und warum das Ordnungsamt davon erfahren sollte. Solange der Kleingartenverein keine Schwierigkeiten macht …«
    Kotissek lächelte komplizenhaft. »Wenn Sie das sagen, Chef.«
    »Als Hausmeister kriegen Sie natürlich alles mit, was in der Anlage vonstatten geht.«
    »Gerd hat mir schon gesagt, was Sie wissen wollen, wegen letzter Nacht.«
    »Ja?«
    »Da haben sich welche gestritten.«
    »Wer?«
    »Männer.«
    »Wie viele Männer?«
    »Zwei.«
    Raupach wartete ein bisschen, aber Kotissek hielt seine Aussage wohl schon für beendet. »Und?«
    »Wie?«
    »Haben Sie jemanden gesehen?«
    »Nur gehört. Bin aufgewacht von den Stimmen. Das ist übel. Ich meine, ich hatte schon ziemlich was getankt,

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