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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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bloß freiwillig ausgehalten? Ich meine, sich um Nicolas zu kümmern, ist ja löblich. Aber ein Zuckerschlecken war das nicht mit dieser Hebamme und ihrem Sanitätersohn im Nacken.«
    »Helfersyndrom?«
    »Wintrich zog ein, als er noch fest angestellt war. Das hätte für ihn auch ganz anders laufen können.«
    »Wie denn?«, fragte Photini.
    »Anstatt den guten Samariter zu spielen und sich unterzuordnen, hätte er das Ruder auch an sich reißen können. Thorben vor die Tür setzen, Nicolas in ein Behindertenheim geben, sich mit Vera eine neue Wohnung nehmen.«
    »Warum hätte er das machen sollen?«
    »Ein Mann mit 45 gerät in eingefahrene Strukturen, wenn er eine Beziehung mit jemandem wie Vera Bahling anfängt, so ist das nun mal. In diesem Alter tut man sich schwer, noch Kompromisse einzugehen. Da liegt es nahe, den Verhältnissen seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Anscheinend hat er nichts dergleichen getan. Seltsam.«
    »War er der Typ dafür?«
    »Wintrich muss kein Gutmensch gewesen sein«, spann Raupach seine Hypothese weiter. »Das leergeräumte Sparbuch, der Koffer mit den Medikamenten, der Streit mit seinem Chef, die vielen Spaziergänge. Vielleicht hatte er sich längst ein neues Betätigungsfeld gesucht und geriet dabei in etwas hinein, das eine Nummer zu groß für ihn war.«
    »Meinst du, er hat mit Pillen gedealt?«
    »Dieser Taxifahrer, Milan Plavotic, war vielleicht sein Kurier, sein Kontaktmann zu den Kunden. Und Kotissek ist auch nicht zu trauen. Wir kennen eine Menge Schieber, die zur Tarnung wie Penner herumlaufen.«
    »Doppeltes Spiel?«, überlegte Photini. »Hinter einer kaputten Fassade?«
    »Vielleicht hat Wintrich es nicht von Anfang an so geplant. Er rutschte da rein. Irgendwann beschloss er, den Inhalt des Koffers zu Geld zu machen. Wir wissen nicht, welche Präparate fehlen. Psychopharmaka? Methadon?«
    »Und warum nahm das Guthaben auf seinem Konto dann ab? Nach deiner Theorie hätte er was dazuverdient.«
    »Er musste investieren, Nachschub besorgen, zum Beispiel über einen Bekannten in seiner alten Firma. Drogengeld trägt man nicht zur Bank. Könnte gut sein, dass wir in den Schrebergärten ein kleines Depot finden, mit Pillen und Scheinen.«
    »In den Beeten der Plavotics?«
    »Aber die Sache wuchs ihm über den Kopf«, schloss Raupach. »Deshalb die Trinkerei.«
    Photini fand das alles zu weit hergeholt. »Das mit dem Doppelleben kannst du auch einfacher haben.«
    »Wie denn?«
    »Die Zahlen von Wintrichs Konto spuken dir im Kopf herum. Du denkst zu materiell. Versuch’s mal mit mehr Gefühl.«
    »Ich höre.«
    Sie bog in die Baudristraße ein, sah an den Häuserwänden hoch. »Möglicherweise sitzt irgendwo noch eine zweite Frau. Die auch darauf wartete, dass Wintrich heimkam. Die ihm auch vieles verzieh wie Vera Bahling.«
    »Er war doch kein Don Juan«, zweifelte Raupach.
    »Eine geheime Freundin reicht schon.«
    »Die Havemann meinte, er war froh, überhaupt eine Partnerin gefunden zu haben.«
    »Aber wenn sich etwas Neues ergibt?« Photini machte eine Pause, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Weißt du, wo die Liebe hinfällt?«
    Raupach drehte sich weg. Er schien genug von den Spekulationen zu haben. Oder merkte er, worauf sie eigentlich hinauswollte? Wintrichs verborgene Seiten würden sie noch lange genug beschäftigen. Jetzt wollte Photini hören, wie Klemens zu ihr stand. Bevor das mit Patrick etwas Festes wurde und sie es im Delphi vor versammelter Mannschaft offiziell machte. War es Klemens egal, ob sie mit jemandem anbandelte, oder störte es ihn, zumindest ein wenig?
    Sie hielt vor dem Laden der Havemann. Die Backsteinmauern der Marienkirche wirkten im Schein einer Straßenlaterne abweisend wie eh und je.
    »Also dann, wie ist das mit der Liebe?«, wiederholte sie und blieb in Fahrerhaltung sitzen. »Ich will das jetzt wissen.« War das direkt genug, damit er endlich Farbe bekannte?
    Der Motor lief. Das Wageninnere wurde nur von den Digitalanzeigen am Armaturenbrett erhellt.
    »Liebe«, fing Raupach an und ließ sich Zeit, den Satz zu weiterzuführen. »Liebe hat viele Gesichter, mehr als Morde. Damit kenne ich mich nicht so gut aus.«
    Photini wartete, ob noch mehr kam.
    »Das, was die Leute über die Liebe sagen, darf man ihnen nicht glauben. Die meisten machen sich etwas vor.« Raupach löste den Sicherheitsgurt. »Entscheidend ist, was man tut.«
    »Ja?«
    »Und auf welche Weise man liebt«, ergänzte er, ohne sich zu bewegen oder Photini

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