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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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wichtig?«
    »Ich denke schon.«
    Milan zuckte mit den Schultern. »Im Karneval, wenn Sie’s unbedingt wissen wollen. Wir zogen durch die Kneipen und landeten irgendwann in der Heckenrose. Es war saukalt, ich hab Feuer gemacht. Dann fühlt man sich wie in den Ferien, weit weg von allem. Unerreichbar.«
    »Mit einem Joint zur Entspannung«, warf Raupach ein.
    »Gut, wir haben was geraucht. Corinne wusste ja, dass ich immer was dabeihabe. Mit Taxifahren allein ist einfach nicht genug verdient. Wenn man ein bisschen was auf die hohe Kante legen will, für eine gemeinsame Wohnung zum Beispiel, mit einem richtigen Schlafzimmer und einem sauberen Bad, da braucht man noch andere Einkünfte. Ich verkaufe nur leichtes Zeug, aus Indien, keine Sputniks, die einen auf den Mond schießen. Damit lassen sich zwei- oder dreihundert Euro im Monat machen. Ist nicht die Welt, aber immerhin.«
    Die meisten Richter würden sich von solchen Details nicht beeindrucken lassen, dachte Raupach. Drogendealer blieb Drogendealer. Und von Hasch zu Heroin, Crack und anderen Segnungen der Zivilisation war es nur ein kleiner Schritt. Doch er schwieg, um Milan nicht zu bremsen.
    »Jedenfalls hat Corinne das mit dem Joint selber vorgeschlagen. Es funktionierte auch, sie wurde locker und ein wenig schläfrig, auf so eine wohlige Art. Sie sagte, wo ich sie anfassen soll und wie. Dabei zog sie sich ganz langsam aus, als hätte sie alles genau geplant, und das lief dann ganz feierlich ab, ohne Gekicher. Es gab ihr Sicherheit. Mir auch. Das werde ich nie vergessen.«
    Milan schloss die Augen und schien in Erinnerungen zu schwelgen. Raupach und Jakub tauschten Blicke – das mit dem Mädchen hörte sich wahr an.
    »Danach hatten wir eine Wahnsinnszeit. Es klingt bescheuert, aber bei Corinne war der Knoten geplatzt, nach unserem ersten Mal. Sie blühte richtig auf. Zuvor war sie still und abwartend gewesen, das hatte auch seinen Reiz, diese langen Blicke. Die neue Corinne hatte alle möglichen Einfälle. Sie wollte dauernd Ausflüge machen mit dem Taxi, ins Siebengebirge oder in die Eifel. Das gefiel mir noch besser. Vielleicht lag es daran, dass wir uns so viel Zeit gelassen hatten. Ich meine, wenn man vorhat, mit einem Mädchen länger zusammenzubleiben, keine Ahnung, vielleicht für immer, dann respektiert man ihre Wünsche, das fühlt sich richtig an.«
    »Aber es ging auseinander«, stellte Raupach fest.
    »Ich hab’s nicht kapiert. Bis heute krieg ich das nicht in meinen Kopf. Wir sahen uns fast jeden Tag. Und plötzlich sagte sie, es sei aus, am Telefon, ohne Vorwarnung, ohne triftigen Grund, einfach so. Es könnte nicht gutgehen zwischen uns, das war alles. Sie wollte mich nicht mehr sehen, ich sollte sie in Ruhe lassen.«
    »Ganz schön hart«, meinte Jakub.
    »Grausam war das, ein Tritt in die Magengrube, du kippst nach hinten weg und fällst einen Abhang runter, fällst immer weiter, kommst nie unten an, obwohl du dauernd irgendwo dagegen knallst.«
    »Was hast du getan?«
    »Ich hab einiges probiert, vor ihrer Haustür gewartet, sie am Kinderkrankenhaus abgepasst. Das machte sie stinkwütend, und als ich sie dann mal mit Wintrich sah, ließ ich’s bleiben. Die Enttäuschung war einfach zu groß. Was wollte sie mit diesem alten Knacker?«
    »Das fragen wir uns auch«, sagte Jakub. »Hast du dir Wintrich vorgeknöpft?«
    »Einmal hab ich ihn auf der Straße gesehen und ihm mit dem Taxi den Weg abgeschnitten. Hab ihm auf den Kopf zugesagt, was ich von ihm halte. Er hat mich zum Teufel geschickt und mir mit den Bullen gedroht, wenn ich mich nicht von Corinne fernhielt. Jetzt weiß ich, dass es andersrum hätte laufen müssen. Ich hätte ihn anzeigen müssen, und sei’s anonym.« Milan betrachtete seine Hände, als seien sie nutzlos. »Wintrich hat sich an Corinne rangemacht und sie missbraucht, mit welchen Versprechungen auch immer.«
    Raupach ging zum Tisch zurück und setzte sich auf die Kante. »Hast du das von Corinne erfahren?«
    »Ja. Ich kam in der Heckenrose an, und alles war schlagartig sonnenklar. Wir stritten uns, und dann hab ich mir den Spaten geschnappt und zugeschlagen.«
    Jakub wies auf die Skizze des Kleingartens. »Wir brauchen den exakten Tathergang. Wann bist du –«
    »Das kann er nachher zu Protokoll geben«, unterbrach ihn Raupach.
    »Ich sag das nicht gern«, Milan schaute zu dem Kommissar hoch, »aber Ihr Chef hat eine Art Röntgenblick. Es war genau so, wie er’s mir vorhin um die Ohren gehauen hat, als ob er dabei

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