Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
machen, bis zum Vorspielen ihres Orgasmus, um seiner Männlichkeit zu schmeicheln. Dass sie keinen Höhepunkt hatte, wenn sie mit Tim schlief, beunruhigte CeeCee tatsächlich ein wenig, aber trotzdem ignorierte sie lachend die Ratschläge ihrer Freundin.
Seit sie zwölf war, hatte niemand sie so geliebt. Er schätzte alles, was sie tat, lobte sie oft. Sie waren ein Liebespaar und die besten Freunde zugleich. Er half ihr bei der Bewerbung für die University of North Carolina. Bewerbungsschluss war Mitte Januar, aber Tim meinte, je früher sie es versuche, desto besser. Sie hatte das Gefühl, ihr Studium bedeutete ihm genauso viel wie ihr.
Inzwischen hatte sie auch den Rest des Hauses auf Vordermann gebracht. Die einstmals verdreckte Küche blitzte, Töpfe und Pfannen waren ordentlich verstaut. Sie hatte die Wohnzimmermöbel mit Zitronenöl poliert und den Schimmel von den Badezimmerkacheln gekratzt. Tim beteuerte immer wieder, sie müsse das alles nicht tun, aber sie war froh, dass sie ihm etwas zurückgeben konnte, und nach und nach fühlte sie sich in der wunderschönen Villa fast wie zu Hause.
Überall waren Fotos von Andie. Sie lächelte glücklich auf diesen Bildern, nicht ahnend, was das Schicksal noch für sie bereithielt. Sie stellte sich vor, wie Andie von dem Fotografen vergewaltigt wurde, und obwohl sie wusste, dass es im Haus geschehen war, passierte es in ihrer Vorstellung nachts auf der Veranda – einer Veranda, die es hier gar nicht gab. Tim erzählte ihr Geschichten darüber, wie seine Schwester streunende Katzen mit nach Hause gebracht hatte und mit sieben heimlich in sein Krankenzimmer geschlichen war, das sie eigentlich nicht betreten durfte. Wie sie versuchte, bei der Beerdigung ihrer Großmutter in den Sarg zu klettern. Die Liebe zu Tim weitete sich aus und umschloss bald auch seine Schwester.
“Kann ich sie kennenlernen?”, fragte CeeCee eines Abends, als er wieder einmal von Andie erzählte.
“Mal sehen”, antwortete er. “Sie sitzt in Raleigh, und es gibt genaue Bestimmungen, wer sie besuchen darf, aber ich finde, du solltest sie auf jeden Fall kennenlernen. Ihr würdet euch bestimmt mögen.”
Merkwürdig, wie Liebe sich verdoppeln und sogar verdreifachen kann. Nach und nach begann sie sogar, Marty zu mögen, der sie inzwischen zumindest nicht mehr wie eine Feindin behandelte. An dem Abend, als er ihr Brathuhn als das beste bezeichnete, das er je gegessen hätte, wurde ihr klar, dass sie gewonnen hatte. Am selben Abend holte er seine Gitarre hervor und spielte Songs von Creedence Clearwater Revival. In Vietnam habe ihm diese Gitarre geholfen, ziemlich schreckliche Zeiten zu überstehen, erklärte er.
Einen Tag vor Halloween kaufte CeeCee drei Kürbisse, und am Abend saßen sie alle zusammen in der Küche und schnitten Gesichter in die Schalen, während sie geröstete Kürbissamen kauten. Anfangs hatte sie noch Bedenken gehabt, Marty ein Messer in die Hand zu drücken, aber er war sehr umsichtig und schnitzte das kunstvollste, wenn auch erschreckendste Gesicht von allen.
Ihre Mutter hatte sich früher immer verkleidet, sehr zur Freude der vielen Kinder, die an Halloween an der Tür klingelten und um Süßigkeiten baten. Und so beschloss CeeCee, sich dieses Jahr als netter grüner Riese zu kostümieren. Sie zog grüne Strumpfhosen und einen grünen Rollkragenpullover an und wickelte jede Menge grünen Filz um sich herum. Tim fand das alles etwas übertrieben, das merkte sie, und trotzdem lobte er schließlich CeeCees Aufmachung.
Kaum hatte sie abends die Kerzen in den Kürbisköpfen angezündet und auf die Verandatreppe gestellt, tauchten bereits die ersten Kinder auf. Und Marty bekam Angstzustände.
“Nicht aufmachen!”, schrie er. Er hatte mit Tim im Wohnzimmer gesessen und rannte nun zur Treppe.
“Ist schon gut, Marty”, sagte Tim beschwichtigend. “Das sind doch nur Kinder, die ein paar Süßigkeiten wollen.”
“Nicht aufmachen!” CeeCee, die eine Schüssel mit Schokoküssen in der Hand hielt, erkannte echtes Entsetzen auf seinem Gesicht.
“Ist schon gut, Marty”, beruhigte sie ihn. “Wir machen nicht auf.”
Tim sah sie dankbar an. “Tut mir leid”, murmelte er.
Nach einer Weile ging sie nach draußen und blies die Kerzen aus, dann löschte Tim das Eingangslicht. In ihrem grünen Kostüm stand sie vor der Treppe und blickte zu Marty hinauf, der wie ein Kind auf einer Stufe hockte, die Ellbogen auf die Knie gestützt.
“Hol deine Gitarre, Marty, und komm
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