Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
sagte Marian. “Sie muss lernen, dass sie auch ohne dich überlebt.”
Und ich muss lernen, dass ich auch ohne sie überleben kann, dachte Eve.
Im Theater hatten sie die besten Plätze. Das Stück hieß
See How They Run.
Jack Elliott spielte Clive, einen Soldaten, der sich als Priester ausgab. Er war groß, rothaarig und auf jungenhafte Weise attraktiv wie der junge Cary Grant. Das Stück war wahnsinnig komisch, Eve lachte so laut wie schon lange nicht mehr.
“Lass uns hinter die Bühne gehen”, schlug Marian hinterher vor. “Ich möchte Jack Hallo sagen.”
Eve sah auf die Uhr. Es war erst zehn. “Na gut.”
Marian tat dies offenbar nicht zum ersten Mal, sie kannte den Weg hinter die Bühne genau. Jack Elliott stand auf einem Stuhl, noch immer geschminkt, und rezitierte Hamlet vor zwei lachenden jungen Männern und einem Mädchen.
“Muss ich auch auf einem Stuhl stehen, wenn ich das spiele?”, fragte einer der Männer.
Jack brach, als er Marian entdeckte, mitten im Satz ab.
“Tantchen Marian!” Er hüpfte vom Stuhl, durchquerte eilig den Raum und riss Marian in seine Arme. Er war nicht so groß, wie er auf der Bühne gewirkt hatte, sah aber noch besser aus. “Entschuldige das mit dem Stuhl. Aber ich habe gerade einem Freund geholfen, der Hamlet spielen wird. Wie hat dir das Stück gefallen?”
“Wunderbar. Und du warst einfach umwerfend. Hat dich deine Mutter in dem Stück schon gesehen?”
“Sie kommt nächstes Wochenende. Sie ruft dich bestimmt an, wenn sie hier ist. Und wer ist das?” Jack musterte Eve neugierig. Ihre Studienkollegen nahmen sie als Frau kaum wahr, dazu war sie zu ernst, zu strebsam und sprach viel zu viel über ihre Tochter. Dieser Mann jedoch betrachtete sie mit Interesse.
“Das ist meine Mitbewohnerin Eve Bailey”, erklärte Marian. “Eve, das ist Jack.”
Eve schüttelte seine Hand. “Sie waren wirklich gut. Exzellentes Timing”, fügte sie hinzu, als ob sie etwas von der Schauspielerei verstünde.
Er hielt ihre Hand fest. “Ach Eve, sind Sie vergeben? Oder würden Sie mal mit mir ausgehen?”
Eve lachte über seine dreiste Art, nicht sicher, ob die Frage ernst gemeint war.
“Himmel, Jack, du hast dich kein bisschen geändert”, rief Marian. “Jack war immer ein wenig, ich will mal sagen, offenherzig. Man muss nie erraten, was er gerade denkt. Als kleiner Junge hat er mal zu einer Bedienung gesagt: ‘Sie haben die längste Nase, die ich je gesehen habe.’“
Jack stöhnte auf. “Ignorieren Sie diese Frau, Eve. Sind Sie vergeben?”
“Nur an meine dreieinhalbjährige Tochter”, antwortete sie.
“Ein Bonus.” Sein Gesicht hellte sich auf, doch Eve rief sich in Erinnerung, dass er Schauspieler war. “Solange ihr Vater nicht mit der Knarre hinter mir herjagt, würde ich noch immer gerne mit Ihnen ausgehen. Was sagen Sie?”
“Gerne.” Ihre Antwort überraschte sie selbst. Sie war nach Tim mit niemandem mehr ausgegangen. Ihr Sozialleben beschränkte sich auf Kaffeetrinken mit Lorraine und dem Besuch einer Spielgruppe von Müttern und Kindern aus der Nachbarschaft. Für mehr hatte sie keine Zeit. “Ich bin zwar sehr beschäftigt, aber …”
“Aber sie wird sich die Zeit schon nehmen”, mischte Marian sich ein.
“Ich rufe Sie an.” Er hatte die ganze Zeit den Blick nicht von ihr gewandt, was Eve, wie sie feststellte, gefiel. In seinem Blick lag keine Bedrohung. Sie erwiderte ihn mit einem Selbstvertrauen, das sie bisher noch nicht an sich entdeckt hatte. Jetzt war sie nicht mehr das Mädchen, das von Tim Gleason verführt und ausgenutzt worden war. Sie war eine Frau, die sich mit einem Mann verabreden konnte oder nicht, und sie entschied sich für Ersteres.
Kaum aber war sie mit Marian wieder in der Eingangshalle, wurde sie still und nachdenklich. Erst im Auto brach sie ihr Schweigen.
“Kann man ihm vertrauen?”
“Wie dem Sonnenaufgang”, entgegnete Marian.
Er rief am nächsten Tag an. Marian nahm ab, verdeckte dann den Hörer mit der Hand und sagte zu Eve: “Ich passe auf die Kleine auf, egal wann.” Sie schien ihre Rolle als Kupplerin zu genießen.
“Hallo”, sagte Eve.
“Ich habe zwei Eintrittskarten für das Springsteen-Konzert morgen Abend ergattert. Wollen Sie mitkommen?”
“Da muss ich erst meinen Babysitter fragen.” Sie wandte sich an Marian. “Morgen Abend?”
Marian nickte.
“Sehr gerne”, verkündete Eve daraufhin.
Sie verabredeten eine Uhrzeit, und das war’s. Sie hatten kaum zwei Minuten gesprochen. Eve
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