Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
Cory streckte die Ärmchen nach ihr aus.
“Mama!”, rief sie.
Eve stockte der Atem. Seit vier Wochen brabbelte Cory nun schon vor sich hin, doch dies war das erste Mal, dass sie Eve mit Mama ansprach.
Marian lachte. “Du siehst aus, als wäre dir gerade ein Gespenst begegnet.”
Das stimmte.
Genevieve.
“Sehr gut, Cory.” Sie hob das kleine Mädchen aus dem Hochstuhl. “Du bist so klug.”
“Mama, Mama, Mama”, wiederholte Cory, als Eve ihr einen kleinen Hut über die roten Locken stülpte.
“Gut, lass uns gehen.” Nicht mehr lange, und Cory würde zu laufen beginnen. Schon jetzt versuchte sie, allein in den Kinderwagen zu klettern.
“Bald wird sie überall herumstreunen”, sagte Marian und nahm die beiden Jungs an die Hand.
“Ich weiß. Und mir ist aufgefallen, dass im Badezimmer eine Steckdose ohne Schutzstecker ist.”
“Wo?” Marian runzelte die Stirn.
“Du weißt schon. Es gibt doch nur eine Steckdose.”
“Über dem Waschbecken?”
“Mhm.”
Marian schmunzelte. “Cory ist ein kluges kleines Mädchen. Aber sie braucht mit Sicherheit noch Jahre, bis sie da rankommt.”
“Wahrscheinlich.” Eve musste über sich selbst lachen. Sie wurde langsam zu einer übervorsichtigen Glucke. Überall roch sie Gefahr.
Alison und Vickie schubsten gerade ihre Kinder auf der Schaukel an, als Eve und Marian dazukamen. Alisons Mann war Medizinstudent, Vickie studierte Pädagogik. Alison war gerade ein zweites Mal Mutter geworden, zur Geburt hatte Eve ihr ein Tragetuch geschenkt.
“Dieses Tuch ist einfach fantastisch!”, rief Alison.
“Ich bin froh, dass es dir gefällt.” Eve beugte sich vor, um den Säugling zu betrachten. “Wie geht es ihm denn?”
Alison berichtete ausführlich von den Schlaf- und Essgewohnheiten ihres kleinen Sohnes.
“Habt ihr schon gehört, dass das Mädchen jetzt endlich hingerichtet worden ist?”, fragte Vickie plötzlich.
“Ach, ich weiß”, entgegnete Alison. “Ich hab’s heute Morgen in der Zeitung gelesen. Endlich.”
Eves Muskeln spannten sich an. Welches Mädchen?, wollte sie fragen, wagte es aber nicht.
“Welches Mädchen?”, hakte stattdessen Marian nach.
“Die Schwester von den Kerlen, die letztes Jahr die Frau des Gouverneurs entführt haben.”
Eve hielt den Blick auf Corys Haar gerichtet, das unter dem Hut hervorschaute und in der Sonne noch röter glänzte. Dabei stellte sie sich vor, wie Tim die dreihundert Dollar abgezählt und den Umschlag zugeklebt hatte. Und wie er vom Tod seiner Schwester erfuhr.
“Warum ‘endlich’?”, fragte Marian ein wenig schnippisch.
“Marian, du bist eine unverbesserliche Liberale.” Vickie lachte, und Eve hätte ihr am liebsten eine runtergehauen. Diese beiden Frauen hatten keine Ahnung, wie Marian ihren Mann verloren hatte.
“Sie war eine Mörderin”, erklärte Alison.
“Ein Junkie”, fügte Vickie hinzu.
“Ein Junkie?”, wiederholte Eve.
“Mhm. Sie ist in ein Haus eingebrochen, hat eine Frau und ihre Tochter umgebracht und den Schmuck gestohlen. Für Drogen.”
“Das stimmt doch überhaupt nicht”, rief Eve.
Während die drei Frauen sie überrascht ansahen, warf Marian ihr einen warnenden Blick zu.
“Ich meine ja nur, dass ich etwas ganz anderes gehört habe. Nämlich dass sie einen Fotografen umbrachte, nachdem er sie vergewaltigt hatte.”
Alison runzelte die Stirn. “Keine Ahnung, wo du das her hast. Vielleicht meinst du jemand anderes.”
“Die Frau, die sie umgebracht hat, war Fotografin”, sagte Vickie.
“Das stimmt.” Alison nickte.
“Habt ihr das vielleicht falsch verstanden?” Eve konnte nicht anders. “War die Fotografin vielleicht …”
“Nein”, unterbrach Alison sie. “Ich habe es vor weniger als einer Stunde gelesen.”
“Und Charlie hat es mir heute Morgen vorgelesen, als ich mich anzog. Sie hat eine Frau, eine Fotografin, in Chapel Hill ausgeraubt.”
“Um an Geld für Drogen zu kommen”, fügte Alison hinzu.
“Cory hat heute Morgen Mama gesagt,” sagte Marian laut.
Eve las inzwischen kaum noch Zeitung. Über die Entführung war nach einiger Zeit nicht mehr berichtet worden, und sie hatte genug Psychologiebücher zu lesen.
“Oh!” Marian sprang auf. “Mir fällt gerade ein, dass ja heute der Klempner vorbeikommen wollte.”
Eve starrte sie perplex an, dann begriff sie, dass Marian sie retten wollte.
“Stimmt ja. Ich gehe mit dir zurück.”
“Ihr seid doch eben erst gekommen”, bemerkte Alison.
“Der Klempner sagte, er würde
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