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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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sagen, dass du sie mitbringen kannst.«
    »Und La Bouche?«
    »La Bouche …«, seufzte der Arzt.
    »Er war immerhin dein Freund. Du wählst also uns und nicht ihn?«, fragte Matthieu ohne Umschweife.
    »Er hat sich doch für Ambovombe entschieden. Und du hast es ja selbst gesagt: Er war einmal mein Freund. Jetzt erkenne ich ihn kaum wieder.«
    »Und was ist mit deinem Rat von gestern?«
    »Gestern Abend stand es ja auch noch nicht in meiner Macht, euer Schicksal zu bestimmen«, antwortete Pierre unerschütterlich.
    Matthieu schlug die Hände vors Gesicht.
    »Wie wird der König bloß reagieren, wenn er erfährt, dass ich seinen Kapitän hintergangen habe?«
    »Du wirst deinen Teil der Mission erfüllt haben. Denk immer daran und mach dir über den Rest keine Sorgen. Wenn das Schiff der Kompanie Fort Dauphin erreicht und die Besatzung sieht, dass ihr nicht da seid, wird man die Fahrt nach Frankreich wie geplant fortsetzen. Und Seine Majestät … wird dich mit Reichtümern überhäufen! Denn du wirst ihm ja nicht nur die Partitur bringen, sondern die Priesterin selbst!«
    Ihn mit Reichtümern überhäufen … Matthieu sah in Ludwig XIV . eine seltsame Mischung aus dem grausamen und unersättlichen Usurpator Ambovombe und einem im Abstieg begriffenen Misson, der um den drohenden Zerfall seines Reiches wusste.
    »Du hast recht«, wurde er plötzlich wieder munter. »Ich muss mit Luna sprechen.«
    »Haltet euch bis zum Einbruch der Nacht versteckt. Wenn sie euch entdecken, werdet ihr keine weitere Möglichkeit zur Flucht mehr haben. Wir sehen uns in den frühen Morgenstunden in der Bucht links vom Hafen.«
    Sie umarmten sich.
    »Einen Augenblick noch …«
    »Was hast du?«
    »Der Griot.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Ihn können wir hier auch nicht zurücklassen.«
    »Vielleicht will er ja gar nicht gehen.«
    »Ich bin sicher, dass er mit uns kommen will. Er hat nur einen einzigen Wunsch, nämlich eines Tages in den Senegal zurückzukehren und gegen die Menschenhändler zu kämpfen.«
    »Ich weiß nicht so genau, ob der Arm, den ich dem Matrosen gerettet habe, so viele Passagiere wert ist«, scherzte Pierre, um nicht zu verzweifeln.
    »Könntest du ihn suchen? Ich hoffe, er ist noch immer in jenem länglichen Gebäude untergebracht.«
    »Bei den Lehrern der befreiten Sklaven?«
    Matthieu nickte.
    »Erzähl ihm bitte alles und bring ihn mit.«
    Sie entfernten sich so schnell wie möglich vom Versammlungsturm. Der Arzt verschwand im Hafen in der Menge, sah sich dabei aber bei jedem Schritt um. Matthieu rannte zu Missons Unterkunft zurück. Luna stand mitten im Raum, als er das Innere der Hütte betrat. Ihre Miene drückte Besorgnis aus.
    »Ich habe von einem Jäger in der Wüste geträumt«, verkündete sie mit verlorenem Blick. »Und ich war die Beute.«
    »Kennst du einen Ort, an dem wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit verbergen können?«
    »Vor wem müssen wir uns denn verstecken?«
    »Vertrau mir bitte.«
    »Die Höhle, in der ich die Muschel aufbewahre …«, murmelte sie nachdenklich.
    »Eine Höhle wäre gut«, antwortete er, ohne zu wissen, wovon sie eigentlich sprach. »Wo ist sie?«
    »Am Fuß der Felsen.«
    »In Richtung Meer ist es zu gefährlich«, erwiderte er bedauernd. »Man würde uns auf halbem Wege schnappen. Lass uns lieber einen Ort in den Bergen suchen.«
    »Der Bambuswald«, schlug sie vor, ohne seine Ausführungen in Frage zu stellen. »Oben auf dem ersten Hügel.«
    »Dann lass uns keine Zeit verlieren.«
    Luna hielt inne, bevor sie das Haus verließen.
    »Aber ich werde doch noch Gelegenheit haben, meine Muschel zu holen, nicht wahr?«
    »Was für eine Muschel meinst du?«
    »Du musst mir auch vertrauen«, lautete ihre Antwort, ehe sie sich mit raschen Schritten auf den Weg ins Herz der Insel machte.

21
    S ie durchquerten einen Palmenhain und erklommen eine Erhebung der Hügelkette, die die Siedlung umgab. Der Bambuswald begann dort, wo die Landschaft sich langsam rauer und dichter bewachsen zeigte. Sie waren schon fast am Ziel, als Luna mit einem Mal stehen blieb und die Augen schloss. Etwas weiter oben pfiff der Wind in den Löchern der Bambusrohre und verwandelte sie in Flöten und Oboen.
    »Hast du schon einmal den Stimmen der Pflanzen gelauscht?«, fragte sie ihn mit bezaubernder Unbefangenheit.
    Matthieu ließ den Blick über die einsame Gegend schweifen, die sich um sie herum ausbreitete. Die Landschaft wirkte wie ein Gemälde. Die Sonne würde bald untergehen und tauchte den Himmel in

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