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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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allseits bekannten Überheblichkeit zuzuschreiben.
    »Aber vielleicht missbilligt der himmlische Vater ja, was Ihr hier vorhabt«, holte er mit einem kleinen Lächeln zum Gegenangriff aus.
    »Was wollen Eure Majestät damit sagen?«
    »Ich würde jedenfalls nicht erlauben, dass ein Sterblicher an meinem Werk herumpfuscht!«
    »Er war es jedoch, der in der Natur und verschiedenen Schriften hier und da den Samen des Wissens ausgestreut hat, damit ihn einst jemand zum Erblühen bringt«, entgegnete Newton gewandt. »Ich habe nicht darum gebeten, dass mir die noble Aufgabe zuteilwerde, die Prisca Sapienta, die verlorene Weisheit der menschlichen Rasse, wiederzuerlangen. Das ist etwas, was mir auferlegt wurde. Abgesehen davon«, stellte er klar, »werde ich ja nicht Gottes Werk verwandeln. Ich werde es sogar retten, den Rost abschütteln, den die Berührung der Menschheit darauf hinterlassen hat.«
    »Wollt Ihr damit etwa sagen, dass unsere Welt verdorben ist?«
    »Genau das denke ich, Majestät.«
    »Und was haltet Ihr dann von mir?«, entrüstete sich der Herrscher. »Ich bin das mächtigste Wesen dieser Welt. Seht Ihr in mir etwa auch den größten Urheber solcher Verdorbenheit?«
    »Ganz im Gegenteil, Majestät. Eine neue Ära wird anbrechen, und Ihr seid der einzige Mensch, der uns darin führen kann …« Er verstummte kurz und sprach dann langsam weiter. »Mit meiner bescheidenen Hilfe.«
    Der Sonnenkönig warf einen Blick zum Ofen hinüber. Es wunderte ihn, dass man das Feuer noch nicht entfacht hatte.
    »Und warum beginnt Ihr nicht endlich mit dem Experiment?«
    »Ich muss erst den passenden Moment abwarten«, antwortete der Wissenschaftler knapp.
    Seit Matthieu ihm kurz zuvor den verborgenen Sinn der Rätselschrift enthüllt hatte, quälte ihn unablässig die immer gleiche Frage: Weshalb ist es mir nicht gelungen? Wieso habe ich in all den Jahren nicht begriffen, dass sich die Zeilen auf einen Zeitpunkt bezogen, auf den Augenblick, an dem die Sonne vor ihrem Untergang für einen kurzen Moment den Mond liebt, der kaum zur rechten Zeit erscheint, um ihre letzten Strahlen zu spüren? Warum konnte ich sie nicht ergründen? Warum nicht?
    »Könnt Ihr mir wenigstens enthüllen, wann der Stein vollendet sein wird?«
    »Morgen Nachmittag ist es endlich so weit.«
    »Ah …«
    »Was bereitet Euch Sorgen, Majestät?«
    »Der Zeitpunkt fällt mitten in die Feierlichkeiten der Galerieeinweihung. Der Palast wird voller Menschen sein.«
    »Es wird ja niemand wissen, was wir hier unten tun«, nutzte Matthieu die Gelegenheit, um noch einmal zu unterstreichen, dass sie mit absoluter Diskretion vorgehen mussten.
    Der Herrscher murmelte etwas vor sich hin und blickte Newton an.
    »Gebt mir noch in demselben Moment Bescheid, in dem Ihr das Experiment beendet! Keine Minute später!« Offensichtlich kannte seine Ungeduld keine Grenzen. Unversehens wandte er sich noch einmal zu dem jungen Musiker um: »Und du solltest darüber nachdenken, eine Zeit hier im Palast zu verbringen. Wir haben noch so viel zu besprechen.« Plötzlich wurde sein Tonfall ernster. »Vor allem wirst du mir erklären müssen, was mit Kapitän La Bouche geschehen ist. Der Minister hat mir zwar enthüllt, dass er nicht so viel Glück hatte wie du, Genaueres wissen wir aber immer noch nicht …«
    »Das Meer gibt und nimmt«, lautete Matthieus Antwort. Er wiederholte damit die Worte, die der Kapitän auf dem Schiff selbst eines Abends zu ihm gesagt hatte.
    Der König ging hinüber zum angrenzenden Zimmerchen und ließ seinen Blick noch einmal über Lunas Gestalt wandern.
    »Ich werde die Wachen anweisen, Kissen und ein Tuch aus ägyptischer Baumwolle herzubringen, damit sie sich auch hier unten wie in einem Palast fühlt«, verkündete er und fand damit wieder zu seiner alten Arroganz zurück, bevor er die Räumlichkeiten verließ.

5
    D er Morgen des 20. März brach ohne Nebel an. Alle erinnerten sich nur zu gut an das Unwetter am Tag der Aufführung von Amadis de Gaule , zum Glück schien sich so etwas heute aber nicht zu wiederholen. Die Palastgelehrten versicherten, dass die Sonne den ganzen Tag scheinen würde, und die annähernd vierhundert Spiegel der Galerie warteten sehnsüchtig darauf, ihre Pracht endlich zeigen zu dürfen. Kurz vor der Dämmerung würden die Sonnenstrahlen der Tagundnachtgleiche durch die Fenster auf die hintere Wand fallen. In diesem Moment würde man als Höhepunkt der Feierlichkeit die Spiegel enthüllen, so dass sie alle gleichzeitig

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