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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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den Schmelztiegel und vermischten sich mit dem Präparat. Die Männer warfen Dr. Evans zu Boden und begannen, ihn mit Fußtritten zu traktieren.
    Jean-Claude war entsetzt.
    »Oh Gott, sie werden ihn umbringen …«
    »Aber was soll denn das alles?«, konnte Matthieu, der überhaupt nichts mehr begriff, endlich hervorbringen.
    Unten zogen sie den Arzt wieder hoch und schüttelten ihn, damit er nicht das Bewusstsein verlor. Der Wortführer fragte noch mehrmals nach der Partitur, doch als Antwort spuckte Dr. Evans ihm nur ins Gesicht. Daraufhin zog der Mann, ohne mit der Wimper zu zucken, ein Messer und rammte es dem Engländer in den Bauch.
    »Nein!«, entfuhr es Jean-Claude, bevor er sich die Hand vor den Mund schlug.
    Der Mörder sah zu dem Fenster hoch, an dem die beiden standen.
    »Lauf!«
    Sie stolperten die Stiege hinunter, sprangen über die Bohle, die als Geländer diente, und flohen durch die enge Straße voller Schlamm, während sie sich immer wieder umdrehten, um zu sehen, ob ihnen jemand folgte. Sie liefen kreuz und quer durch die angrenzenden Gassen und kamen schließlich an einem kleinen Platz heraus, auf dem Keramikschüsseln verkauft wurden. Unauffällig mischten sie sich unters Volk. Matthieu kam es vor, als würde ihn dort auf dem Markt jeder anstarren. Er bekam fast keine Luft mehr. So etwas hatte er noch nie miterlebt. Sie suchten sich eine abgelegene Ecke hinter ein paar leeren Marktständen und lehnten sich an die Mauer, um wieder zu Atem zu kommen.
    »Du erklärst mir jetzt sofort, was hier vor sich geht!«, verlangte Matthieu keuchend von seinem Bruder.
    »Was soll ich denn bloß tun?«, murmelte dieser abwesend.
    »Erklär es mir!«
    »Ich wollte es dir ja vorhin schon erzählen. Es geht um die Partitur …«
    »Welche Partitur? Jean-Claude, mein Gott! Diese Kerle haben ihn umgebracht!«
    »Die Partitur der Melodie vom Ursprung.«
    Matthieu versuchte, sich zu beruhigen, aber seine Stimme zitterte genauso wie seine Hände.
    »Gott, ich habe keine Ahnung, wovon du redest … Was hat Dr. Evans denn da gerade gemacht? Und was hast du überhaupt mit ihm zu schaffen?«
    Der Ausdruck in Jean-Claudes blauen Augen änderte sich wie bei einer Katze, die plötzlich auf der Hut ist.
    »Dr. Evans hat den Schlüssel zur Alchemie gefunden. Ich habe ihm doch nur geholfen.«
    Matthieu schlug sich die Hände vors Gesicht.
    »Geholfen? Was verstehst du denn von Alchemie?«, rief er und gestikulierte aufgebracht. Er entfernte sich ein paar Schritte von seinem Bruder und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Ich verstehe etwas von Musik«, erwiderte Jean-Claude mit Bestimmtheit, als hätte er plötzlich seine Geistesgegenwart wiedererlangt. »Und Musik ist der Schlüssel.«
    »Die Musik?«
    »So ist es, Bruder. Musik ist der Anfang und das Ende von allem«, behauptete er. »In ihr liegt das Geheimnis, dem die Alchemisten bereits seit Jahrhunderten auf der Spur sind. Deshalb bin ich hier, und deshalb habe ich dich mitgebracht. Ich konnte es nicht länger vor dir geheim halten …«
    So hatte Matthieu sich an Jean-Claudes Seite noch nie gefühlt. Die Beziehung zwischen den beiden hatte nichts mit Kameradschaft oder irgendeiner vermeintlichen Verpflichtung zwischen Brüdern zu tun. Es handelte sich um eine Freundschaft ohne Wenn und Aber, in der die beiden stets füreinander da waren. Sie mussten sich ihre Zuneigung nicht beweisen, der eine konnte einfach immer auf den anderen zählen. Aber in diesem Moment sah Matthieu nicht seinen Bruder vor sich. Es war, als würde er Jean-Claude nicht mehr wiedererkennen. Eigentlich war er doch derjenige gewesen, der von seiner leiblichen Mutter, dem leichtsinnigen Dienstmädchen Marie, die träumerische Ader geerbt hatte, während der Sohn des Schreibers stets der Aufgeklärte von den beiden gewesen war.
    »Jean-Claude«, flüsterte er zärtlich und legte ihm die Hand auf den Arm, »was haben die Töne, die ich meiner Geige entlocke, mit dem Stein der Weisen zu tun? Und was die Kompositionen unseres Onkels mit Okkultismus?«
    Jean-Claude brach in schallendes Gelächter aus.
    »Matthieu, ich rede doch nicht von Okkultismus oder vom Stein der Weisen. Ich spreche von der ursprünglichen Verbindung der Menschen mit Gott, von einer nie zuvor gehörten Musik, die uns wahre Erkenntnis schenken und dem Leiden der Menschheit ein Ende machen wird. Musik wird endlich den Himmel auf Erden schaffen.«
    Vom Seine-Ufer wehte Verwesungsgestank hinüber.
    »Aber was soll denn das

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