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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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aus Versailles, dann jedoch nahm ihre natürliche Wildheit wieder überhand, und sie zog den Kapitän in eine Ecke des Hofes, küsste ihn heftig und trommelte dabei gleichzeitig mit den Fäusten auf ihn ein. In geziertem Französisch, durchsetzt mit Phrasen in ihrer Muttersprache, jammerte und beklagte sie sich bei La Bouche darüber, dass sie jedes Mal länger auf ihn warten musste.
    Matthieu ließ die beiden lieber allein. Er spazierte auf einen dunklen Gang zu, der unter das Haus führte. Ihn faszinierte die Tatsache, dass am Ende des Tunnels Sonnenlicht zu sehen war, und er bewegte sich langsam darauf zu. Während der Gang sich verengte, konnte man immer lauter die Wellen brechen hören. Es handelte sich um eine Öffnung, die einen direkten Zugang zum Meer ermöglichte. Nasse Schaumflocken, die ins Innere flogen, landeten auf seinen Stiefeln. Da begriff er, dass hier die Menschenhändler ihre Boote festmachten, um gekaufte Slaven zu verladen und sie zu ihren Schiffen zu bringen.
    In diesem Moment legte ihm jemand die Hand auf die Schulter.
    Erschrocken fuhr Matthieu herum.
    Es war La Bouche.
    »Jetzt kennst du also die ›Tür ohne Wiederkehr‹.«
    »Kein besonders aufmunternder Name.«
    »Sieh mich an«, bat ihn der Kapitän. »Diese Leute sind nicht wie du und ich!«
    Matthieu versuchte, sich keine Emotionen anmerken zu lassen. Mit jeder Minute, die verstrich, überkamen ihn widersprüchlichere Gefühle, was den Kapitän betraf. Dieser zeigte sich hart wie Stein, ohne dabei jemals seine Fassade eines Gentlemans zu verlieren. Er war einst der beliebteste und angesehenste Seemann in Versailles gewesen und hatte sich nun in einen unerbittlichen Menschenhändler verwandelt. Matthieu dachte daran, wie verletzlich die Sklaven auf ihn gewirkt hatten, und es tat ihm in der Seele weh. Ihre Körper wirkten wie aus Stahl, und dennoch starb die Hälfte von ihnen, noch bevor sie Westindien erreichten. Und dann gab es da noch andere, freigelassene Sklaven oder einfach herzlose Spekulanten, die ihre Brüder verrieten und sie im Auftrag der Europäer jagten. Warum konnte er sie nicht als das ansehen, was sie wirklich waren, nämlich Männer, die auf unterschiedlichen Seiten standen so wie La Bouche und er, jedoch unter erbärmlichen Umständen?
    Der Kapitän begleitete Matthieu in den ersten Stock hinauf. Madame Serekunda bewohnte das Haus zusammen mit ihrer Mutter – die krank war und ihr Gemach nie verließ – und einer Heerschar von Bediensteten. Sie wiesen Matthieu ein Zimmer zu und luden ihn ein, dort die Nacht zu verbringen. Der junge Mann aber fühlte sich immer schlechter. Er stellte sich vor, wie der Gestank aus den Zellen in den Rest des Hauses aufstieg und dort an allen Wänden klebte. Diesen Geruch wollte er nun wirklich nicht in der Nase haben, deshalb war er drauf und dran, das Angebot abzulehnen und augenblicklich zum Schiff zurückzukehren. Dann hielt er es allerdings für klüger, sich der Gunst des Kapitäns zu versichern, auch wenn er dafür wieder einmal zurückstecken musste. Er wollte sich gerne eine Weile hinlegen, hatte aber kaum den Rock abgestreift, als auch schon zum Abendessen gerufen wurde.
    Die Einrichtung und Dekoration des Hauses ließen an das Heim einer wohlhabenden Familie in Frankreich denken. Es war kaum zu fassen, dass im unteren Stockwerk Dutzende von Sklaven darauf warteten, meistbietend versteigert zu werden. Die Tafel war mit einem feinen Tischtuch bedeckt, und das Besteck war aus Silber mit einer Reliefarbeit in Form von Blumen, die sich spiralförmig um den Griff wanden.
    Während die Vorspeisen serviert wurden, fragte Madame Serekunda Matthieu nach Dingen bei Hofe, da sie offensichtlich davon ausging, dass er zu den adligen Kreisen gehörte. Er brachte es nicht über sich, das Missverständnis auszuräumen, und antwortete ausweichend. Der Gedanke, dass er hier die Zeit bei einem Abendessen vertrödelte, während sie doch eigentlich volle Fahrt voraus nach Madagaskar segeln sollten, ging ihm nicht aus dem Kopf.
    »Ich werde ein paar Neger für die Reise mitnehmen«, wandte sich der Kapitän an die Mulattin und unterbrach so ihre Unterhaltung. »Vielleicht kann ich sie bei einem Zwischenhalt gegen etwas eintauschen.«
    »Ich lasse gleich nach dem Essen anordnen, dass eine Gruppe zu eurem Schiff gebracht wird«, nickte sie. »Aber es wird doch jemand dafür zahlen, oder? Du hast ja gesehen, dass ich zurzeit auf der Ware sitzen bleibe.«
    »Der Handel mit Indien siecht im Moment

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