Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
Vom Netzwerk:
Geliebter ein.
    »Dann verhör sie doch, aber danach gehört sie mir! Das Gift war für dich bestimmt, begreifst du das denn nicht? Ich werde ihr Herz verspeisen!«
    Der Kapitän gab seinen drei Wachen die Anweisung, mit Hilfe des Dienstmädchens nach der Flüchtigen zu suchen.
    Serekunda sah sich erneut Matthieus Augen an und wandte sich dann wieder an La Bouche.
    »Ist dieser Junge für deine Mission sehr wichtig?«, wollte sie jetzt schon viel ruhiger wissen.
    »Lass ihn nicht sterben«, antwortete der Kapitän lediglich.
    Sie hievten Matthieu in sein Zimmer und verabreichten ihm eine Kräutermedizin, damit er das wenige, was ihm noch im Magen blieb, ausspie. Er wurde immer blasser. Aus seiner Kehle erklang ein Todesröcheln.
    Serekunda hatte inzwischen einen Heiler rufen lassen. Der Medizinmann untersuchte den Geiger, um herauszufinden, welches Gift man ihm verabreicht hatte, stellte um ihn herum ein Dutzend Kerzen auf und begann, ein Gegenmittel zuzubereiten.
    In Matthieus Gesicht war inzwischen eine Seite ganz taub. Er wurde von Krämpfen geschüttelt, die ihn von seinem Lager warfen, und konnte nichts gegen die Beklemmung tun, die ihm die Brust zuschnürte. Er hatte das Gefühl, seine Lunge würde gleich explodieren. Der Heiler gab ihm das Antidot und beschwor gleichzeitig die Geister der Insel, damit sie ihm halfen, den Dämon abzuwehren und zu strafen, der die Schwäche des Körpers genutzt hatte, um von ihm Besitz zu ergreifen.
    Serekunda brachte ein Huhn, so wie es das Ritual vorschrieb. Der Medizinmann enthauptete das Tier durch einen einzigen Hieb mit einer scharfkantigen Scheibe, die er in einer Tasche voller Fetische mitgebracht hatte. Er fing das Blut in einer Schale auf und goss es, nachdem er es mit Hirsesaft vermischt hatte, über Matthieus Körper. Dann ordnete er an, dass alle den Raum verließen, und stellte das Schüsselchen mit dem Rest der Flüssigkeit unter einen kleinen Altar aus Blättern und Zweigen, den er in einer Ecke errichtet hatte. Dort musste die Mischung die ganze Nacht stehen bleiben, um den bösen Geist zu besänftigen. Der Mann sprach einige beschwörende Formeln und ging dann auch hinaus, schloss hinter sich die Tür und ließ den blutüberströmten Matthieu allein, der vom Echo des Wehklagens und der Peitschenhiebe heimgesucht wurde. Die zitternde Flamme der Kerzen drang durch seine halbgeschlossenen Lider, begleitet von einer Nebelwolke, die nur seiner Fantasie entsprang und die er wie besessen zu vertreiben suchte, als sei sie ein Spinnennetz, in dem er gefangen war.

4
    A ls Matthieu aufwachte, blendete ihn im ersten Moment das weiße Licht, das durchs Fenster hereinfiel. Das Zimmer war von einem widerlichen Geruch nach Galle erfüllt. Er entdeckte mit Schrecken das Blut auf seiner Brust und befühlte hektisch alle Glieder, bis er sicher war, dass es nicht von ihm selbst stammte. Völlig durcheinander richtete er sich auf und schritt über geschmolzenes Wachs und Federn.
    Er trat hinaus auf die Galerie. Dort wartete der Kapitän auf ihn. Er saß auf einem Stuhl aus dem Esszimmer und hatte die Füße auf dem Geländer abgestützt.
    »Was steckt hinter dieser Melodie?«, sagte La Bouche ohne Umschweife, als hätte er die ganze Nacht darauf gewartet, diese Frage zu stellen.
    Bis zu diesem Moment hatten sie kein einziges Wort über die Melodie vom Ursprung verloren. Niemand hatte Matthieu darüber informiert, dass der Kapitän das Ziel dieser Mission kannte. Andererseits war es nur logisch, dass er eingeweiht war. Sobald sie sich am Hofe des Anosy-Königs, des Usurpators, eingeschlichen hatten, war es doch nur sinnvoll, Hand in Hand zu arbeiten, um ihr Ziel zu erreichen. Er blickte auf den kreisförmigen Hof hinunter und schloss ein wenig die Lider. Ein trockener Wind wehte kräftig von der Savanne her und erfüllte die Luft mit sandigem Staub.
    »Warum fragt Ihr mich nach der Melodie?«
    Der Kapitän zog die Brauen hoch und richtete den Blick ebenfalls auf den sonnenbeschienenen Platz.
    »Man hat dich ans Ende der Welt geschickt, um sie zu transkribieren. Damit ist doch klar, dass sie sehr wertvoll sein muss.«
    Auf einmal begriff Matthieu.
    »Ihr denkt doch nicht etwa, dass …«
    »Serekunda ist davon überzeugt, dass der Giftanschlag mir galt. Die Sklaven, die hier auf Gorée in unseren Diensten stehen, hegen einen Hass gegen uns, der sich seit zwei Generationen in ihnen angestaut hat. Tatsache aber ist, dass ich mich nur zu gut an den Ausdruck in den Augen des Königs

Weitere Kostenlose Bücher