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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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geflüstert wurden, nicht nur ihr eigenes Leben verändern sollten, sondern auch das all derer, die ihnen nahestanden.

2
    A lles begann einige Monate später im Hochsommer des Jahres 1684. Matthieu war gerade zwanzig Jahre alt geworden und hatte sich nach unzähligen Stunden des Studiums, oft tagelangem Feilen am Fingerspiel, Besuchen in der Werkstatt des Geigenbauers und Treffen im Palast von Mademoiselle de Guise zu viel mehr als nur einem vielversprechenden Talent an der Geige entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits ein wahrer Meister der Violine und hatte eine glänzende Zukunft vor sich.
    Dennoch machte sein Onkel sich von Tag zu Tag größere Sorgen: Der junge Musiker war überwältigt von der Atmosphäre am Hofe Ludwig XIV., einem Ambiente, in dem sich alles nur um Feiern, Luxus und überschwänglichen Wahnsinn drehte. Er hatte nur ein Ziel, nämlich so schnell wie möglich in das Orchester aufgenommen zu werden, das als »Die vierundzwanzig Streicher des Königs« bekannt war, um dann mit der Zeit zum Soloviolinisten bei Hofkonzerten aufzusteigen. Dieser krankhafte Ehrgeiz passte Charpentier überhaupt nicht. Er hätte alles dafür gegeben, dass Matthieu mehr wie Jean-Claude wäre, der sich darauf konzentrierte, seine Technik an der Geige zu verbessern, und sich dabei nicht von Dingen ablenken ließ, die nichts mit der Musik an sich zu tun hatten. Das Schlimmste daran war, dass er seinem geliebten Neffen nicht dabei helfen konnte, sich seinen Traum von Versailles zu erfüllen, nicht einmal wenn er gewollt hätte.
    Denn Charpentier genoss zwar zweifellos überall großes Ansehen als Komponist, hatte trotz seiner Meisterschaft als Musiker aber weder Zugang zu höfischen Kreisen gefunden noch einen der so begehrten offiziellen Titel erhalten, die der König den bekanntesten Künstlern verlieh. Und jeder in Paris wusste, warum: Mademoiselle de Guise, seine Mäzenin, war als erbitterte Gegnerin der Regierung Ludwigs XIV . bekannt.
    Diese Ausgrenzung hatte Charpentier nie bekümmert. Er sah sie sogar als hilfreich an, da sie ihn zum einsamen Arbeiten zwang, das seine Kreativität förderte und half, sein Talent auf eine würdige Art von Musik zu fokussieren, die nichts damit zu tun hatte, einen Herrscher zu rühmen oder seine königlichen Wünsche zu befriedigen. Das wahre Problem bestand darin, dass mit seinem Ausschluss aus diesen Kreisen seinem Neffen gleichfalls der Zugang zu Hofe verwehrt war, so wie es bei jedem anderen Mitglied seiner Familie auch gewesen wäre.
    Matthieu hatte diese Einschränkung allerdings nie hingenommen. Er liebte seinen Onkel und bewunderte ihn als Komponisten, aber als Mensch wollte er ihm nicht nacheifern. Warum sollte er seine Rolle als ewiger Aussätziger in Versailles akzeptieren, wenn er doch so viel mehr konnte als die Mitglieder der königlichen Orchester? Er arbeitete deshalb mit allen nur erdenklichen Mitteln weiter an seinem Traum. Es war ihm sogar gelungen, seine Verwandtschaft mit dem großen Komponisten geheim zu halten. Nicht einmal die Lehrer in der Musikschule, in der er als Anwärter auf einen Posten bei Hofe unterrichtet wurde, wussten davon.
    »Wie kannst du nur vor der Welt deinen Nachnamen verleugnen!«, erzürnte sich sein Onkel oft.
    »Selbst Petrus verleugnete Jesus dreimal«, spottete Matthieu dann, »und jetzt wacht er an der Himmelspforte!«
    An jenem Morgen war er weiterhin fest entschlossen, sich einen Platz in seinem ganz eigenen Himmel zu sichern, und zwar um jeden Preis. Er wusste, dass sein Charme eine fast ebenso mächtige Waffe war wie seine Geige, und daher hatte er keine Bedenken, ihn bei jedem einzusetzen, der ihm vielleicht den Weg nach Versailles ebnen konnte. Und dieses Mal hatte er sich hohe Ziele gesetzt. Er befand sich im Hause der königlichen Sopranistin, genauer gesagt in ihrem Bett, den Kopf gegen den hölzernen Pfosten des Baldachins gelehnt.
    Es war noch nicht Mittag, und der Sommer tauchte Paris in ein paradiesisches Licht, vielleicht deshalb, weil die Monarchie sich auf dem Höhepunkt ihrer Pracht befand. Das Schlafzimmer der Sopranistin war im Stile der Gemächer von Versailles gehalten. Es herrschte eine erlesene Ordnung, von den makellos ausgeführten Gemälden bis hin zum Schmuckkästchen auf dem Frisiertisch, das mit seinen halbgeöffneten Schubladen zu einem Blick auf die üppigen Perlen einlud. Auf dem Fußboden rund ums Bett wurde allerdings gegen alle Regeln der Dekoration verstoßen, denn dort lagen zerknautscht die

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