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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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dass ich mich nicht darüber wundern würde. Mein Vater hatte sich am Tag meiner Abreise sehr deutlich dazu geäußert.
    Die Lügen von Madame M. traten mir in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit vor Augen. Die bedenkenlose Art, die sie an den Tag gelegt hatte, um Louise zu bekommen, ließ mich ahnen, mit welcher Skrupellosigkeit sie versuchen würde, sie zu behalten. Diese Aussicht erschreckte mich. Mein Vater im Gefängnis. Der Sieg der Deutschen. Die Besetzung von Paris. Was hatte sie mir noch verheimlicht? Was würde ich noch entdecken?

    Aber auch mein Vater hatte mich angelogen. Nach dem Pakt hatte er mir geschworen, er hätte die Partei verlassen. Warum hatte er sein Versprechen nicht gehalten? Dann wäre er nicht verhaftet worden. Maman wäre nicht verschwunden, er hätte sie beschützt.
    Plötzlich fing ich an, herumzubrüllen. Stalin, Stalin, für ihn zähle nur Stalin! Er könne sich jetzt freuen, wo Stalins neue Freunde womöglich Maman umgebracht hätten! O Pardon, vielleicht müsse man das ab sofort als Ehre ansehen...
    ›Sei still!‹
    Mein Vater ohrfeigte mich und zerrte mich an den Haaren zu seinem Nachtschrank. Er zog das Schubfach auf. Da lag sein Parteiausweis, in kleine Stücke gerissen.
    ›Ich habe dich nicht angelogen. Ich habe den Gendarmen gesagt, dass Schluss damit ist, aber sie haben mich ausgelacht. Sie haben gesagt, dass ich sie nicht an der Nase herumführen kann – einen Parteiausweis zu zerreißen hat nichts zu bedeuten. Ob mit oder ohne Ausweis – ich sei nichts als ein dreckiger Kommunist, ein Vaterlandsverräter. Zwei Jahre Gefängnis und zweitausend Francs Strafe für defätistische Äußerungen! Ich konnte diese Dreckskerle nicht daran hindern, mich mitzunehmen. Und das alles nur, weil ich im Café gesagt hatte, dass die Jungs an der Maginotlinie zu nichts gut sind und lieber Karten spielen als arbeiten …‹
    Plötzlich verstummte mein Vater. So, wie er mich ansah, betete ich, dass er nicht weitersprechen würde. Damit er nicht sagte, wovon ich schon wusste, dass er es sagen würde. ›Himmelherrgott noch mal, wach endlich auf, Töchterchen! Glaubst du, dass du gar keinen Anteil an dieser Geschichte hast? Es ist so einfach, die Schuld auf die anderen zu schieben, aber wenn du nicht mit deiner Madame
weggefahren wärst, hätte deine Mutter nach meiner Verhaftung nicht allein dagestanden …‹
    Es war das zweite Mal im Leben, dass ich meinen Vater weinen sah. Das erste Mal war beim Bekanntwerden des Hitler-Stalin-Pakts gewesen.
    Ich hatte versucht, meine Verantwortung unter seiner zu vergraben. Aber ich wusste, dass ich schuldig war. Ich war aus eigenem Willen gegangen. Er hingegen war der Spielball einer politischen Farce gewesen, gegen die er nichts hatte tun können. Der Kommunismus war zum Staatsfeind Nummer eins geworden. Wenn man schon keinen richtigen Krieg führen konnte, dann wenigstens irgendeinen Krieg.
    Die Nacht brach herein.
    Nach einer ganzen Weile legte mir mein Vater die Hand auf die Schulter. Der Strom sei unterbrochen, er würde eine Kerze holen, jetzt, wo wir zu zweit seien, lohnte sich eine Kerze.
    Als er das sagte, zwinkerte er mir zu. Dieses Zwinkern kannte ich so gut, es war nur trauriger als sonst. Aber immerhin ein kleines Zwinkern.
    Und dann würden wir meine Rückkehr feiern, fuhr er fort. Es sei zwar nicht viel zu essen da, aber wir würden schon was finden. Er drückte mich an sich. Sein letztes Zeichen der Zärtlichkeit. Dann fragte er, ob ich während der ganzen Zeit wenigstens schön gemalt hätte und ob mir die Staffelei nicht zu klein sei.
    Er fand, ich sei gewachsen. Ich hatte keine Kraft, ihm zu antworten. Er hatte keine Kraft, die Kerze zu holen. Er setzte sich wieder, und wir blieben dort. Ohne zu reden. Im Dunkeln.
    Wenn er wüsste, wie ich gewachsen war. Er hatte also nichts von Louise erfahren.

    Ich habe gewartet, bis er ins Bett ging, damit ich Mamans Stoffkoffer öffnen konnte. Wenn sie meine Briefe nicht mitgenommen hatte, würde ich sie dort finden, auf dem Stoff, neben der Bibel. Es gab keinen Stoff, auch keine Bibel mehr ... aber meine Briefe waren da. Von einem weißen Band zusammengehalten. Alle, bis auf den letzten. Den Einzigen, der wichtig war. Den, in dem ich ihr alles erzählte.
    In diesem Moment begriff ich, dass Sophie ihn nicht eingesteckt hatte ...
    Wenn Maman alles gewusst hätte! Auch von dem Kind! Dann wäre sie nicht weggefahren, davon bin ich überzeugt. Sie hätte auf mich gewartet.
    Ich konnte nicht schlafen, ich

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