Das Geheime Vermächtnis
ragte er stolz über Dinny auf und grinste. Ich weiß noch, wie seine Nasenlöcher sich triumphierend blähten, wie hochmütig er aussah. Er stolzierte prahlerisch davon. Dinny beobachtete ihn, und ich beobachtete Dinny. Seine Augen funkelten, und Beth und ich trauten uns einen Moment lang nicht, in seine Nähe zu kommen.
Silvester fällt dieses Jahr auf einen Mittwoch, und der Tag fühlt sich tatsächlich nur wie ein Mittwoch an. Nichts von der alten Aufregung. Diese Aufregung hatte sowieso immer einen Beigeschmack von Grauen, kann ich mir jetzt endlich eingestehen. Das dröhnende Chaos des Feuerwerks über der Themse, das grimmige Wissen, wie lange es hinterher dauern würde, wieder aus dem Gedränge herauszukommen. Jetzt ist es nur ein Mittwoch, und der nahende Schluss ist ein anderer. Beth hat gesagt, sie würde bis Neujahr bleiben. Dieses Versprechen habe ich ihr abgerungen – nur bis Neujahr. Morgen. Mir fällt nur eines ein, das sie dazu bewegen könnte, länger zu bleiben: Sie müsste in dem Streit mit Maxwell gewinnen. Wenn Eddie noch einmal zu ihr käme, ehe die Schule wieder anfängt, könnte sie doch bleiben.
Natürlich bin ich trotzdem aufgeregt – weil ich vorhabe, heute Abend feierlich etwas zu verkünden. Draußen ist es sehr ungemütlich. Ich stelle das Radio lauter, damit es den stöhnenden Wind übertönt, der an den Ecken des Hauses zerrt. Ich habe lange gebraucht, um Beth zu überreden, heute Abend mit in den Pub zu kommen – ich musste lügen und behaupten, dass sie Dinny vielleicht zum letzten Mal sehen würde, ehe wir abfahren. Das Geräusch des Windes könnte schon ausreichen, um sie wieder umzustimmen.
»Haare hochstecken oder offen tragen?«, frage ich Beth, als sie ins Bad kommt. Ich drehe mein Haar zusammen und halte es am Hinterkopf hoch, dann lasse ich es fallen und schüttele es aus. Sie betrachtet mich und neigt den Kopf zur Seite.
»Offen. Wir gehen schließlich nur in die Dorfkneipe«, sagt sie. Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar.
»Ja, ich ziehe auch nur eine Jeans an.« Ich nicke. Sie stellt sich hinter mich, beugt sich vor, um das Kinn auf meine Schulter zu legen, und betrachtet sich selbst im Spiegel. Kann sie es sehen? Dass ihre Gesichtszüge so scharf und knochig sind, verglichen mit meinen? Dass ihre Haut zu dünn aussieht, zu blass?
»Ich weiß, es ist Silvester. Aber ich … mir ist eigentlich nicht nach Ausgehen zumute. Wir kennen diese Leute doch gar nicht …«, sagt sie und tritt wieder zurück.
»Ich lerne sie gerade besser kennen – und das würdest du auch, wenn du ein bisschen öfter rausgehen würdest. Bitte, Beth. Du kannst nicht einfach allein zu Hause bleiben. Nicht heute Abend.«
»Warum bist du überhaupt so versessen darauf, möglichst viel Zeit mit ihm zu verbringen? Wozu soll das gut sein? Wir kennen ihn nicht mehr. Wir leben vollkommen verschiedene Leben! Und bald sind wir weg und werden ihn wahrscheinlich sowieso nie wiedersehen.«
»Ich bin auf nichts versessen«, murmele ich, trage silbrigen Lidschatten auf und begutachte die Wirkung im Spiegel. Ich spüre, dass sie mich ansieht. »Es ist Dinny «, sage ich schließlich. »Er ist so ziemlich die wichtigste Person aus unserer Kindheit. Hör mal«, ich drehe mich zu ihr um und zwinge sie, mich anzusehen. »Denken wir heute Abend einfach mal über gar nichts nach. Wir gehen aus, begrüßen das neue Jahr mit einem Drink und amüsieren uns ein bisschen. Okay?« Ich schüttele sie leicht. Sie holt tief Luft und hält sie einen Moment lang an.
»Okay! Du hast recht. Tut mir leid.« Sie klingt erleichtert und lächelt sogar ein wenig.
»So ist es besser. Jetzt geh und schenk uns einen Whisky ein. Einen großen «, befehle ich.
»Hier, bitte«, sagt sie, als ich in die Küche komme.
»Der dürfte uns ein bisschen in Partylaune versetzen.« Ich nehme das Glas entgegen, wir stoßen an und trinken. Beths Lächeln sieht ein wenig angestrengt aus, aber sie bemüht sich. »Wie war das Gespräch mit Maxwell? Kommt Eddie wieder?«
»Was, hierher? Nein«, sagt sie. »Ich möchte, dass er über das letzte Ferienwochenende zu mir nach Hause kommt. Maxwell sagt, sie fahren zu seinen Eltern … Ich weiß nicht«, seufzt sie. »Ich habe das Gefühl, dass immer ich diejenige bin, die um die besten Plätze im Zeitplan kämpfen muss.«
»Na ja, wir hatten ihn immerhin über Weihnachten …« Meine Enttäuschung ist beißend. Jetzt wird sie nichts mehr hier halten. Etwas zappelt in mir, windet sich,
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