Das Geheime Vermächtnis
Caroline stand auf und sah ihm mit aufgerissenen Augen dabei zu. »Komm rein, Liebling! Das fühlt sich himmlisch an!«, rief er.
»Bist du verrückt?«, stieß sie hervor. »Ich kann doch hier nicht schwimmen!«
»Aber warum denn nicht?« Mit kräftigen Zügen durchquerte Corin den kleinen Teich.
»Na ja … es ist …« Sie wedelte hilflos mit der Hand. »Das Wasser ist schlammig! Und wir sind im Freien – jeder könnte uns sehen! Und ich habe keinen Badeanzug.«
»Natürlich hast du einen! Er steckt unter deinem Kleid.« Corin grinste. »Und wer soll uns schon sehen? Hier ist meilenweit kein Mensch – nur du und ich. Komm schon! Es wird dir gefallen!«
Caroline ging unsicher zum Ufer, schnürte die Stiefel auf und zögerte. Das Sonnenlicht glitzerte so hübsch auf der Wasseroberfläche, und winzige Fische trieben träge an seichten, warmen Stellen. Die Sonne brannte auf sie herab, fiel sengend heiß auf ihre Kopfhaut, und ihre Kleider fühlten sich eng und steif an. Sie bückte sich, zog Stiefel und Strümpfe aus und stellte sie sorgsam am Ufer ab. Dann raffte sie die Röcke bis zu den Knien und ging hinein, bis das Wasser um ihre Knöchel schwappte. Die Erleichterung des kalten Wassers an ihrer glühenden Haut siegte schließlich.
»Oh, du meine Güte«, seufzte sie.
»Na, fühlt sich das nicht viel besser an?«, rief Corin und schwamm zu ihr herüber. Sein weißes Hinterteil schimmerte verzerrt unter der Wasseroberfläche, und Caroline musste lachen.
»Du siehst aus wie ein Frosch in einem Eimer.«
»Ach, tatsächlich?«, entgegnete er und bespritzte sie mit kaltem Wasser. Sie wich kreischend zurück. »Komm schon, komm rein und schwimm eine Runde! Oder traust du dich etwa nicht?«
Caroline blickte sich über die Schulter um, als hätte plötzlich ein Publikum erscheinen können, das vor Bestürzung über ihre Schamlosigkeit nach Luft schnappte. Dann zog sie ihr Kleid und das Korsett aus und hängte beides über den Ast einer Weide. Ihr Unterkleid behielt sie an. Die Haut an ihren nackten Schultern kribbelte, so entblößt kam sie sich vor, und als sie zum Ufer zurückging, schlang sie schützend die Arme um den Oberkörper. Am Rand hielt sie inne, wie gebannt von dem Gefühl, mit dem der Schlamm zwischen ihren Zehen hervorquoll. So etwas hatte sie noch nie gespürt, und sie lüpfte den Unterrock, um darauf hinabzuschauen, wackelte mit den Zehen und lachte. Als sie schließlich aufblickte, bemerkte sie, dass Corin sie verzückt beobachtete.
»Was ist denn?«, fragte sie erschrocken.
»Sieh dich nur an … Du bist so mutig. Und so schön. So etwas habe ich noch nie gesehen«, erklärte er schlicht. Das nasse Haar klebte ihm an der Stirn und ließ ihn beinahe jungenhaft aussehen.
Caroline hatte eigentlich nur ein wenig im Wasser waten wollen, doch die wunderbare Kühle und die Erregung über Corins Worte machten sie übermütig, und sie ging bis zur Hüfte hinein. Die durchscheinenden Falten ihres Unterkleids trieben im Wasser um ihre Beine. Mit einem nervösen Lachen ließ sie sich nach hinten sinken und vom Wasser tragen. Es strich mit kühlen Fingern durch ihr Haar.
»Komm her und küss mich«, forderte Corin.
»Ich bedaure, Sir, ich bin zu sehr mit Schwimmen beschäftigt«, gab Caroline betont geziert zurück und paddelte ungeschickt davon. Ein wenig betroffen wurde ihr klar, dass sie seit ihrer Kindheit nicht mehr geschwommen war, damals im Sommerhaus ihrer Familie.
»Ich hole mir meinen Kuss, und wenn ich dich erst einfangen muss«, erklärte Corin. Lachend und mit den Beinen strampelnd versuchte Caroline ihm zu entkommen; doch sie bemühte sich nicht allzu sehr.
Die Sonne ging eben unter, als sie über die letzte Anhöhe kamen und die Lichter der Farm unter ihnen schimmern sahen. Carolines Haut fühlte sich heiß und wund an, wo die Sonne sie verbrannt hatte, und das Kleid rieb an ihrem Körper, ohne das Unterkleid darunter, das zum Trocknen hinten über dem Einspänner hing. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und kostete den scharfen, mineralischen Geschmack des Baches. Sie beide trugen den Geruch des Wassers auf der Haut und im Haar. Sie hatten sich am Ufer geliebt, und die wunderbare Mattigkeit hing noch in ihren Muskeln und gab ihr ein Gefühl warmer Schwere. Auf einmal wollte sie nicht zum Haus zurückkehren. Es sollte ewig so bleiben – sie und Corin an einem heißen Tag an einem schattigen Plätzchen, wo sie sich immer wieder liebten, ohne einen Gedanken an die Welt zu
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