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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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lediglich eine Schonfrist verschafft, bis sie kräftig genug war, um zu fliehen. Eine Schwangerschaft war keine Option.
    Seit er aus Vietnam zurückgekehrt war, war Mason impotent.

12
    Die weiße, samtige Ameise war groß wie eine Sumpfwespe. Für Mason sah sie aus wie die Stechameisen, die die Wawajeros veinticautros – vierundzwanzig – nannten, weil ihr Gift ein scheußliches, vierundzwanzig Stunden andauerndes Fieber verursachte. Die Indianer fürchteten sich vor ihnen mehr als vor Skorpionen. Im Laufe der Jahre war Mason dreimal von einer Stechameise gestochen worden, und jedes Mal hatte der Stich so höllisch gebrannt, dass er sich gewundert hatte, weshalb er kein verkohltes Fleisch roch.
    Mit Essstäbchen hob K’un-Chien die Ameise vorsichtig aus einem Holzkasten, der mit Blättern des Süßgummibaums gefüllt war. Schaudernd fiel Mason ein, dass eine veinticautros samtschwarz war, nicht strubbelig weiß.
    »Ich vertraue ihr«, sagte Tree. Sie saß gegenüber von K’un-Chien und Mason im Schneidersitz auf einer Reismatte auf dem Boden einer Bambushütte. Sie nickte K’un-Chien zu, die die Ameise nun auf Trees zerklüftete Wunde legte.
    Die Ameise verlor keine Zeit. Sie wölbte den Bauch unter ihrem Thorax und stach wieder und wieder in das entzündete Gewebe.
    »Oooh. Fühlt sich kalt an«, sagte Tree.
    Mason stieß den Atem aus. »Kalt? Das ist gut.«
    »Es wird taub. Oh, was für eine Erleichterung.« Sie lächelte K’un-Chien an, und die Frau schlug die Augen nieder. »Der Schmerz verebbt. Es fühlt sich an als – als lege sich eine Eisschicht über meine Hand, und überall, wo sie sich ausbreitet, wird es taub.«
    »Wir nennen sie Kaltschlaf-Ameise«, sagte K’un-Chien, hob die Ameise mit den Spitzen der Essstäbchen in den Holzkasten zurück und klappte den mit Luftlöchern versehenen Deckel zu.
    »Das ist fantastisch«, sagte Mason. »Ich würde gerne herausfinden, welches Analgetikum in dem Gift ist. Halcyon wäre begeistert. Es kann nur eine winzige Menge sein – wieviel, ein paar Milligramm? Vielleicht sogar nur ein paar Mikrogramm. Der Stoff ist hochwirksam.«
    »Ich bin todmüde«, sagte Tree. »Ich muss mich eine Weile hinlegen.«
    Tree legte sich auf den Rücken und zog die Beine an, so dass sie auf die Matte passte. K’un-Chien kniete neben ihrem Kopf nieder und begann, mit langen schlanken Fingern Trees Schläfen zu massieren; unter ihrer geschickten Berührung wich alle Anspannung aus Trees Gesicht. Mason genoss den Anblick zweier wunderschöner Frauen aus völlig entgegengesetzten Hemisphären: eine mit dunkelblauen Augen und glatten Haaren, schwarz wie Lakritze, die andere mit meeresgrünen Augen und hellblonden Locken wie schäumender Champagner.
    »Oh, das tut gut – das machst du wundervoll …«
    Die Andeutung eines Lächelns huschte über K’un-Chiens Gesicht. »Du ehrst mich«, sagte sie leise.
    Das einzige Möbelstück in dem winzigen Raum war ein schulterhoher Mahagonischrank mit dutzenden, verschieden großen Schubladen, die mit chinesischen Ideogrammen beschriftet waren. Mason stand auf, um nachzusehen, was sich in ihnen befand. Er erkannte die Schriftzeichen für Ginseng, Lotussamen, Bienenpollen und fand in der jewei ligen Schublade das Erwartete vor. Doch in den meisten Schubladen wurden ihm unbekannte Naturheilmittel aufbewahrt: Fledermauswurzel, Teufelsschnecke, Nachtglühen, Drachenlied, Mondfrau und Feuermoos weckten seine Neu gier; er fand verschiedene aromatische Pulver, Zweige, Blätter, Wurzeln, Blüten, Pollen, Moose und getrocknete Pilze. Mehrere Schubladen schienen sich auf die menschlichen Ausscheidungsorgane zu beziehen: Wasserlassen, Wasserstoppen, Arbeitender Darm, Ru hender Darm. Eine post kartengroße Schublade war unzweideutig mit Brechen bis zur Leere beschriftet. »Ein andermal«, murmelte er. Phönixkugeln erwiesen sich als klebrige grüne, in kristallinen Honig getauchte Kräuterbällchen. Seine Finger strichen über einen kastanienbraunen Kreidebrocken, der Schoßextrakt hieß; es dauerte einige Augenblicke, bis ihm klar wurde, dass es sich um getrocknetes Menstruationsblut handelte.
    K’un-Chien legte Trees Kopf auf eine ausgebuchtete, hölzerne Nackenstütze und stand auf, um in einem kleinen Eisenofen ein Holzkohlefeuer zu entzünden. Aus einer Kürbisflasche goss sie Wasser in einen blauen Keramik-Teekessel und stellte ihn auf das Ofengitter. Dann legte sie Trees Hand in eine Schüssel mit einer milchigen, säuerlich riechenden

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