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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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sagen.
    K’un-Chien lächelte. »Ich bin gleich wieder da.«
    Sie kehrte mit einer Kanne heißen Wassers und einer Teetasse in den Raum zurück. Tree bemerkte, dass andere Dienerinnen ihren Herrinnen dasselbe brachten. K’un-Chien griff in eine Stofffalte ihres blauen Kimonos und ließ einen mit flockigem rosa Schimmel überzogenen Liebessamen in die Tasse fallen. Der Schimmel zerschmolz im heißen Wasser. Die nackte Schote sah dunkel und farblos aus, die rötliche Färbung ihrer Hülse überlagert vom blutroten Glühen der Papierlaternen. Keine der beiden sprach, während der Liebessamen durchzog.
    Trees Puls pochte in ihren Ohren. »Was geschieht als Nächstes?«
    K’un-Chien fischte die aufgeweichte Schote aus der Tasse und goss das Wasser, zu Trees Überraschung, auf den Fliesenboden. Die anderen Dienerinnen in dem Raum taten dasselbe. K’un-Chien brach die Schote mit den Zähnen auf, und ein halbes Dutzend weißer Samenkörner kam zum Vorschein – Tree nahm wenigstens an, dass sie weiß waren, denn im Licht der roten Papierlaternen schimmerten sie wie feuchte Rubine.
    »Du darfst die Körner nicht kauen«, sagte K’un-Chien. »Leg dir einfach eins unter die Zunge und warte, bis es sich auflöst.«
     Trees Herz setzte einen Schlag aus. Sie war versucht zu fragen: Wofür ist der Liebessamen? und Glaubst du wirklich, ich sollte das tun? Aber die Antwort auf die erste Frage kannte sie bereits, und die zweite Frage war die Jungfrau in ihr, die sich automatisch dem widersetzte, das sie so sehr wollte.
    Das längliche Samenkorn schmeckte bitter. Doch je länger sie es lutschte, desto süßer wurde es, wie eine Dattel, die unter ihrer Zunge heranreifte und allmählich ihren Speichel mit Fruchtzucker durchsetzte. K’un-Chien hielt ihr die geöffnete Hand hin, und Tree spuckte das geschrumpelte Korn hinein und legte sich ein Neues unter die Zunge. Nach zwei weiteren Liebessamen schien ihr Mund heiß zu werden. Das zuckrige Korn brannte unter ihrer Zunge. Dann verlagerte sich ihre Wahrnehmung und korrigierte den Eindruck: Es war nicht nur ihre Zunge – ihr ganzer Körper brannte in einem sanften, federleichten Feuer. Tree kicherte und merkte, dass sie sich so entspannt und weich fühlte wie sonnengewärmter Taft. Und doch fühlte sie sich nicht benebelt. Vielmehr waren ihre Sinne geschärft. Sie wurde eins mit dem Rhythmus ihres ein- und ausströmenden Atems, fühlte sich, als lausche sie dem sanften Auf und Ab einer Meeresbrandung. Einatmen; sich mit heller Energie füllen, alles in sich aufnehmen. Ausatmen; Selbstaufgabe bis ins Mark, alles loslassen. Sie war erstaunt über die tiefe und ursprüngliche Sinnlichkeit des Atmens.
    Vier Dienerinnen trugen die riesige Blume aus dem Raum, und eine große Frau in einer ärmellosen Tunika und einem kurzen Kilt schritt in die Mitte, wo zuvor die Blume gestanden hatte. Arme und Beine der Frau waren extrem muskulös; ein aufgestickter grüner Drache schlängelte sich in Brusthöhe über ihre weiße Tunika, die im roten Licht rosa glänzte. Ihr Haar war zu tausend winzigen Zöpfen geflochten, die wie ein schwarzer Helm auf ihrem Schädel saßen; ihr falscher Bart war ebenfalls eine Kaskade schwarzer Zöpfe.
    Alle Augen richteten sich auf die statuenartige Drachenfrau, und für einen Moment glaubte Tree, die Frau sei erschienen, um sie zu begrüßen. Vielleicht war sie die Moderatorin des heutigen Abends: Guten Abend, meine Damen, willkommen im Sexzimmer. Und nun – lasst die Orgie beginnen.
    Dann bemerkte Tree, dass die Drachenfrau bereits zu tanzen begonnen hatte. Sie tanzte nur mit den Augen. Ihre Blicke flackerten hin und her wie die Zunge einer Schlange, dann schossen ihre Augenbrauen hoch, und ihre Züge öffneten sich in einen Ausdruck orgasmischer Verzückung. Der Tanz bestand nur aus winzigsten Bewegungen, was das Ganze umso faszinierender machte, und Tree merkte, dass sie sich vorbeugte, um keine Nuance der subtilen Gesichtsausdrücke und Handbewegungen zu verpassen. Allmählich bezog die Tänzerin Hals und Schultern und Arme in die Choreographie mit ein, und als der Tanz zu ihrem Becken hinuntergewandert war, fühlte Tree sich von der erotischen Kraft und Anmut der Tänzerin vollends gefesselt. Die Wirkung war hypnotisch, als lausche man einem sich langsam steigernden Bolero, in dem ein Instrument nach dem anderen hinzukommt, um dem sich stetig wiederholenden Hauptmotiv eine weitere Facette hinzuzufügen, bis jede Stimme der Symphonie dem Zuhörer die Melodie

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