Das Geheimnis der Äbtissin
Schutt und Asche.«
»Er ist jung und kräftig. Wenn er ein paar Tage ruht, erholt er sich schnell.«
»Kann ich etwas tun?«
Sie neigte den Kopf. »Gegenwärtig nicht. Aber wenn das Fieber sinkt und er wieder bei Verstand ist, dann sorgt dafür, dass er eine Weile Ruhe hat.«
Markward sah sie an, als hätte sie ihn gebeten, dem Teufel einen Platz im Paradies zu beschaffen. »Er ist der junge König eines Reiches, dessen Fürsten nur danach lechzen, irgendeine Schwäche zu erkennen. Sein Heer liegt zerschlagen im Morgenland, die Italiener tanzen ihm auf der Nase herum. Wie um alles in der Welt soll ich ihm Ruhe verschaffen?«
»Konstanze?«, stöhnte Heinrich kaum hörbar. Seine Hand fuhr suchend über die Decke. Judith fasste nach ihr und drückte sie. »Ich bin da, mein König. Es wird alles gut.«
»Wo ist sie eigentlich, seine Königin?«, fragte sie Markward.
»Sie wartet in Mailand auf ihn. An und für sich müssten wir längst auf dem Weg dorthin sein.«
»Wollt Ihr bei diesem Wetter über die Alpen?« Sie schauderte.
Er nickte. »Warum nicht? Ihr seid selbst schon über die Berge geritten.«
»Allerdings nicht im Winter.«
Die Tür öffnete sich vorsichtig, und Schwester Uta brachte Leinentücher und Wasser.
Markward sah zu, wie sie dem König den Schweiß von der Stirn wischte, und legte geschickt mit Hand an, als sie seinen fiebernden Körper in feuchte Tücher wickelte. Gemeinsam mit dem Knecht rückte er das Kohlebecken dicht an das Krankenlager.
Als sie wieder zur Ruhe kamen, fragte sie: »Warum seid Ihr noch nicht auf dem Weg nach Italien? Soweit ich hörte, sind große Teile des Heeres schon aufgebrochen.«
Markward runzelte die Stirn. »Der Ärger mit Eurem neuen Landgrafen hat uns aufgehalten. Kaiser Friedrich hatte versäumt, Hermann die Landgrafenwürde zuzusichern, falls sein Bruder im Kreuzzug fallen würde. Es gab bereits im vergangenen Jahr viel böses Blut wegen dieser Geschichte. Hermann verweigert jetzt die Gefolgschaft, wenn Heinrich ihm die Urkunde nicht ausstellt.« Er betrachtete sie nachdenklich. »Da Ihr von Lare stammt, müsst Ihr mit den Ludowingern verwandt sein.«
Sie nickte. »Ludwig der Bärtige war mein Ururgroßvater, so wie auch der des Landgrafen Hermann.«
»Ihr könnt stolz auf Eure Vettern sein. Wisst Ihr, dass Landgraf Ludwig das Kommando über die Belagerungsheere von Akkon hatte?«
»Wurde er deshalb der Held von Akkon genannt?«
Markward lächelte. »Zum Helden wird man eigentlich erst, wenn man das Kommando auch erfolgreich ausübt.«
»Und von Erfolg kann wohl keine Rede sein.«
»Das war nicht sein Verschulden. Er hat die Belagerung mit seinem Heer begonnen, im guten Glauben, bald Verstärkung zu bekommen. Da der junge Friedrich nach dem Tod seines Vaters auf dem Landweg zu lange unterwegs war, kam er zu spät, und der Winter hatte bereits eingesetzt.«
»Winter?«
»Das bedeutet Regen. Das Land vor Akkon verwandelte sich in eine Schlammwüste, das Wasser spülte die nachlässig vergrabenen Toten wieder aus, und Seuchen waren die Folge. Gegen das Fieber und die Pest konnte der Landgraf nicht kämpfen.«
»Aber warum hat der alte Kaiser nicht auch den kürzeren Weg über das Meer gewählt?«
Markward hob die Schultern. »Es soll einen heftigen Streit gegeben haben, nach dem sich die Heerführer trennten und verschiedene Wege einschlugen. Der Kaiser glaubte wohl, allein der schwierigere Landweg sei heilig und von Gott gewollt. Er konnte sehr stur sein, wisst Ihr.«
»Ich weiß, ich bin ihm schließlich einige Male begegnet.«
»Verzeiht meine Neugier, noch immer habe ich Eure geheimnisvolle Verknüpfung mit dem Schicksal der Kaiserin nicht verstanden.«
Sie zögerte. Jetzt, da Beatrix tot war, konnte er immer noch in Heinrichs Auftrag handeln. Sie beschloss, weiterhin vorsichtig zu bleiben. »Das ist eine lange Geschichte. Wenn Ihr dafür sorgt, dass der König sich hier bei uns auskuriert, werde ich sie Euch erzählen.« Bis dahin blieb ihr genug Zeit, über eine glaubwürdige Variante nachzudenken.
Markward lachte. »Ihr wisst, was Ihr wollt, und auch, wie Ihr es bekommt. Ich werde Euer Angebot überschlafen.« Damit ging er hinaus.
Nachdem sie dem König noch etwas heißen Tee eingeflößt hatte, schlief er ruhiger. Sie blieb den Rest der Nacht an seinem Bett sitzen und wärmte sich die Füße am Kohlebecken. Beim flackernden Licht einer Kerze hatte sie Muße, sein Gesicht zu betrachten. Die feine, spitze Nase erinnerte sie an Beatrix.
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