Das Geheimnis der Äbtissin
Konrad.
»Hoheit, wie geht es Euch?«, flüsterte sie, sobald sie ihre Tasche am Bett abgestellt hatte. Intimität gab es in diesem Lager kaum, alle Wände und Türen bestanden aus Stoff.
»Mir schwindelt so stark, dass ich nicht aufstehen kann«, antwortete Beatrix schwach. Sie hatte beide Hände schützend auf ihrem Bauch liegen, der sich inzwischen deutlich unter ihrem Kleid abzeichnete.
»Habt Ihr etwas gegessen?« Sie legte ihr die Hand auf die Stirn.
»Ich habe es versucht, allerdings mit wenig Erfolg. Lediglich die Apfelsinen, die Friedrich mir bringen ließ, schmecken mir.«
»Dann esst Apfelsinen, so viel Ihr könnt. Sie schaden nicht. Ihr müsst zu Kräften kommen. Das Kind nimmt sich, was es braucht, für Euch bleibt nichts übrig. Deshalb seid Ihr so schwach.« In Gedanken ging sie ihre Arzneiliste nach einem appetitanregenden Kraut durch.
Beatrix nickte. »Würdet Ihr mir eine der Früchte schälen?«
»Aber ja.« Ein Messer lag griffbereit. Sie trennte vorsichtig die duftende dicke Schale von dem saftigen Fleisch. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Wann hatte sie das letzte Mal gegessen? Sie schluckte. Die Männer drüben am Tisch diskutierten laut, die beiden Gäste sprachen nur schlecht Deutsch und mussten Hände und Füße benutzen, um sich verständlich zu machen.
»Wie kommen wir an ihn heran?«, hörte sie den Kaiser fragen.
»Wir kommen in Stadt. Gibt Möglichkeit über Sümpfe im Süden, wo kein Heer«, entgegnete einer der Italiener.
»Da schmuggeln sie auch den Nachschub ein, wie ich schon immer vermutet habe. Dieser Morast ist ihre Lebensader!«, schnaubte Pfalzgraf Konrad aus der hinteren Ecke des Zeltes. »Warum gehen wir nicht durch die Sümpfe?«
Einer der fremden Männer hob abwehrend die Hände. »No! Sümpfe sehr gefährlich! Nur wenige kennen Weg!«
»Vergiss es, Bruder«, knurrte der Kaiser. »Du weißt, wie ungesund das Klima dort ist. Wir haben ohnehin schon eine Seuche im Lager. Gegen einen solchen Gegner kann ich nicht kämpfen.«
»Wir sind nicht auf diesen Verräter angewiesen. Der lügt doch einem Maultier die Hinterbeine weg.« Der Pfalzgraf trat näher an den Tisch und beugte sich zu Friedrich hinab, um ihm direkt in die Augen zu sehen. »Lass uns den Belagerungsturm noch einmal nutzen. Schließlich haben wir alles langfristig vorbereitet. Die Rampe ist gestern fertig geworden. Dort schieben wir den Turm ohne Probleme drüber. Ich habe auch schon eine Idee, wie wir ihn vor den Steingeschossen schützen. Das funktioniert besser als Faschinen. Wir können tatsächlich von diesen Hurensöhnen lernen.«
Interessiert blickte der Kaiser auf. »Was schlägst du vor?«
Konrad beugte sich weiter über den Tisch und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Beatrix fasste nach ihrer Hand. »Judith?« Sie musterte sie. »Du siehst müde aus. Hattest du heute viel zu tun?«
Sie nickte und reichte ihr die Apfelsinenstücke. »Es gab einen Ausfall aus dem nördlichen Stadttor. Wir hatten zwanzig Verletzte.«
»Und etliche Tote, ich habe davon gehört. Es gab wieder eine dieser … Hinrichtungen auf der Mauer, nicht wahr?«
»Ja, es war schrecklich.« Ein leiser Vorwurf lag in ihrer Stimme.
Beatrix deutete auf die fremden Männer. »Sie sind aus Cremona. Sie werden uns helfen.«
»Aber wie?«
»Sagt dir der Name Marchesi etwas?« Beatrix flüsterte jetzt auch.
Judith überlegte. In den Gesprächen der verletzten Ritter war der Name im Zusammenhang mit den ausgezeichneten Katapulten der Einwohner von Crema aufgetaucht. Aber so genau hatte sie nicht zugehört.
Beatrix sprach weiter: »Er ist der Baumeister aus Crema, der diese Maschinen baut, mit denen sie auf uns schießen. Sie sagen, er läuft zu uns über, wenn wir ihm genug Geld bieten.«
»Und dann?«
»Denk nach! Er könnte unsere Katapulte verbessern, neue bauen. Wir können jederzeit Material heranschaffen, Holz und Steine – im Gegensatz zu den Leuten in der eingeschlossenen Stadt. Wir würden sie dann mit mehreren Schleudern gleichzeitig beschießen.«
»Wie lange soll das dauern? Bis diese Maschinen fertiggestellt sind, vergeht wieder ein Mond. Vorausgesetzt, dieser Marchesi läuft tatsächlich über. Wie will er denn ungehindert aus der Stadt herauskommen?« Sie rümpfte skeptisch die Nase.
»Sie haben ihre Schleichwege. Sonst könnten sie nicht so lange durchhalten. Irgendwie kommen sie an Nachschub. Hast du nicht gehört? Die Männer aus Cremona sagen, es gibt Wege durch die Sümpfe im Süden der Stadt.«
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