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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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verteilt, die Beutestücke für den Burghaushalt begutachtet und einsortiert. Sie bekam die Schlüsselgewalt zurück. Dafür unternahm sie mit Gerlind und dem Mundschenk einen ausgiebigen Rundgang durch Küche, Wäschekammer und Vorratskeller. Mit Erschrecken sah sie, wie stark ihr Kräutervorrat reduziert worden war. Sie musste unbedingt in den nächsten Tagen sammeln gehen. Für einige Pflanzen war es schon zu spät, da konnte vielleicht Sigena aushelfen. Außerdem sollten die mitgebrachten Kräuter aus den Alpen dringend gesichtet und einsortiert werden. Sie würde Sigena umgehend besuchen, denn sie war gespannt auf ihr Urteil.
    Im stets streng verschlossenen Gewürzschrank klafften ihr ebenfalls Lücken entgegen. Galgant, Ingwer und Zimt gingen zur Neige. Wie wollten sie im Herbst Hippokrat ansetzen? Ohne den bei Gesinde und Mannschaft so beliebten Gewürzwein wäre der lange Winter auf Lare noch viel weniger zu ertragen. Sie hoffte, dass bald ein Gewürzhändler eintreffen würde, der die Bestände erneuern konnte. Im Keller betrachtete sie zufrieden die Töpfe mit Honig und Schmalzfleisch, in der Vorratskammer die unter der Decke baumelnden geräucherten Schinken und Würste. Bis zu den Schlachttagen im November würden sie zurechtkommen. Auf einem Gestell hingen Hunderte getrocknete Fische. Sie erinnerten sie an die Stiefellappen, die die Soldaten des kaiserlichen Heeres an den Zeltschnüren zum Lüften aufgehängt hatten. Die Bauern aus Gebra zahlten einen Teil ihres Zehnten mit reichlich Fisch aus der Wipper.
    Isabella beaufsichtigte im Stall die Musterung der zurückgekehrten Pferde und ihrer Ausrüstung. Sie ließ die Eisen überprüfen und untersuchte die Tiere auf Hufverletzungen und Krankheiten. Wundgeriebene Stellen im Fell wurden gereinigt und mit Kräuteröl versorgt, kleinere Verletzungen durch Dornen oder Bisse anderer Hengste mit Salben bestrichen. Die Pferdeknechte reparierten und putzten das Sattelzeug und rieben es anschließend mit Bienenwachs ein.
    In der Waffenkammer überwachte Ludwig das Entrosten und Einölen der Rüstungen. Beschädigte Teile ließ er aussortieren und zum Waffenschmied bringen. Die Waffen aus der umfangreichen Beute mussten registriert und gereinigt werden. Aus der Schmiede klangen den ganzen Tag der helle Ton der Hämmer und das Fauchen der Blasebälge. Am Eingang stapelten sich zerbrochene Lanzen, Kettenhemden und Brustharnische sowie schartige Schwerter zum Schärfen.
    Vor der Stellmacherei standen die Trosswagen. An jedem gab es zu reinigen, Räder auszubessern und Bespannungen zu reparieren.
    So verging der Tag und ließ noch viel Arbeit übrig für die folgenden.
    Nach dem Abendessen drängte Ludwig seine Schwester: »Du wolltest erzählen, schon vergessen?«
    Judith schnaufte. »Ich wusste gar nicht mehr, wie anstrengend so ein Tag auf Lare sein kann. Ich könnte auf der Stelle einschlafen.« Doch dann erzählte sie ihm vom Herzog Berthold, von der mühsamen Überquerung der Alpen und von der Belagerung der Stadt. Isabella saß neben ihm und hörte die Geschichte noch einmal aus einer anderen Blickrichtung, denn Judith färbte ihren Bericht mit militärischen und technischen Details, die Ludwigs Augen zum Glänzen brachten. Selbst als sie die brutalen Grausamkeiten der gegnerischen Armeen ausmalte, wandelte sich seine Miene nicht. Sie spürte, dass er noch immer gern dabei gewesen wäre, und brach enttäuscht ab.
    »Die Männer starben einen so sinnlosen Tod, Ludwig. Sie waren nicht viel älter als du. Der Herzog wird niemals eine Frau in seinen Armen halten, nie Kinder haben. Er wird nie …« Ohne dass sie es wollte, traten ihr Tränen in die Augen, und ihre Stimme kippte. Isabella warf ihr einen schnellen Blick zu.
    »Aber er starb als Held für den Kaiser«, entgegnete Ludwig halbherzig. Die Anteilnahme seiner Schwester verwirrte ihn.
    Judith schwieg. Sie durfte nicht noch mehr erzählen. Dass der Armbrustbolzen aus den eigenen Reihen kam, hatte sie ihm vorenthalten, um ihn nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Er wusste auch nichts von der Geschichte zwischen der Königin und Konrad. Der Bischof saß nur einige Fuß weit entfernt und trank mit dem Grafen Wein. Sie diskutierten über die Baumaßnahmen, doch sie spürte ab und zu seinen prüfenden Blick. Beatrix hatte sich bereits zurückgezogen.
    Judith fühlte sich plötzlich mutlos. All diese Jungen, die, sobald sie laufen konnten, mit Holzschwertern kämpften und mit Pfeil und Bogen auf Strohpuppen zielten,

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