Das Geheimnis der Äbtissin
der seine Maschinen baut.«
Sie schaute bedrückt auf ihren leeren Teller. »Nach der Bauweise fragst du besser Vater. Ich kann dir nur erzählen, was diese Maschinen anrichten. Welche Knochen sie zermalmen, wie sie Köpfe zerquetschen oder Brustkörbe so eindrücken, dass ein Schmied den Harnisch zwischen den Rippen herausschneiden muss.«
»Oh!« Er sah sie erschrocken an.
Sie fasste seinen Arm. »Entschuldige! Ich wollte nicht … Ich bin einfach müde, weißt du. Morgen erzähle ich dir von Crema, versprochen.«
Er grinste. »Gut. Ich hab ebenfalls eine Neuigkeit für dich. Aber auch erst morgen. Jetzt probier von dieser Pilzpastete, sie ist wunderbar.«
Gegen Ende der Mahlzeit tauchte Isabella auf. Sida hing ihr mit der Nase an den Fersen. Sie hatte Pferdemist an den Schuhen und Stroh im Haar. Und doch war sie noch schöner geworden, wie Judith neidlos feststellte. Ein geheimnisvolles Leuchten ging von ihr aus, als sie durch den Saal auf die Tafel zuschritt. Mit einer fast schon beleidigenden Arroganz begrüßte sie Beatrix, über Konrad sah sie hinweg. Nachdem sie dem Grafen zugenickt hatte, schloss sie Judith in die Arme.
»Schön, dass du gesund zurück bist«, sagte sie laut und fügte dicht an ihrem Ohr hinzu: »Nicht schön, dass du unsere Buhlschaft wieder mitgebracht hast.«
Judith musste lachen. Jetzt war sie wirklich zu Hause.
In der Kemenate standen nur noch drei Betten – ihres, eins für Beringar und Isabellas. Ludwig übernachtete längst bei den Rittern im Saal.
»Gerlind hat die ganze Zeit in deinem Bett geschlafen wegen Beringar. Ich war oft nicht da, hab mich um die Pferde gekümmert und so. Sie wollte ihn nicht allein lassen.« Isabella ließ sich auf das Federbett fallen. »Ab heute liegt sie wieder bei deinem Vater«, fügte sie unnötigerweise hinzu.
Judith öffnete ihre Reisetruhe. »Ich hab dir was mitgebracht.« Sie zog ein Pferdehalfter hervor, das üppig mit feingehämmertem Silber besetzt war.
Isabella nahm es vorsichtig entgegen und trat ins Licht der Öllampe. Sie grinste erfreut. »Es ist sehr schön. Meine Gerti wird edel damit aussehen.«
»Gerti? Ist das die wilde Stute, die voriges Jahr fohlen sollte?«
»Ja. Sie ist ruhiger geworden, seit sie ihren kleinen Hengst hat. Du musst ihn dir morgen anschauen.«
Judith warf einen Blick auf Beringar, der fest zu schlafen schien. Seine Hand umklammerte den silbernen Dolch, den sie ihm geschenkt hatte. Nachsichtig lächelnd schob sie die lederne Scheide über die Waffe.
Isabella zog sie auf ihr Bett. »Jetzt erzähl du. Deine Briefe waren so spärlich, dass ich bald vergangen bin vor Neugier.«
»Ich wusste nicht, wie sicher sie sind. Ich konnte unmöglich schreiben, was wirklich passiert ist.« Sie krochen gemeinsam unter die Decke, und sie erzählte. Isabella hörte schweigend zu. Nur ihr unregelmäßiger Atem verriet, dass sie nicht schlief. Judith verschwieg nichts, zweimal mussten sie die Öllampe nachfüllen. Eine Nachtigall sang bereits im Burggraben, als sie schließlich den Armbrustpfeil aus ihrem Gepäck holte. »Der hat den Herzog umgebracht.«
»Weiß dieser Sohn des Teufels, dass du ihn hast?«, fragte Isabella.
»Beatrix weiß es. Ich nehme an, sie hat es ihm erzählt. Sonst wäre ich vielleicht nicht bis nach Hause gekommen.«
Isabella ballte die Fäuste. »Wir müssen ihm endlich das Handwerk legen. Viel zu lange schon amüsiert er sich auf Kosten meines Vaters. Zeugt kleine Bastarde, die vor meiner Nase auf den Thron krabbeln.«
»Schscht! Sprich nicht so laut.« Judith war noch immer die Hellhörigkeit einer Zeltstadt gewohnt.
»Wir werden etwas unternehmen. Ludwig weihen wir ein, auf ihn ist Verlass.«
»Nein, wir bringen ihn damit nur in Gefahr. Je weniger Leute davon wissen, umso besser«, murmelte Judith schläfrig.
»Zur Not reise ich selbst nach Italien, um meinem Vater Beweise zu liefern. Der Bolzen ist schon mal ein Anfang.«
Leises Prusten kam als Antwort. Isabella drehte erstaunt den Kopf zur Seite. Jetzt, da sie sich alles von der Seele geredet hatte, war Judith erschöpft eingeschlafen. Isabella löschte die Öllampe, fand jedoch keinen Schlaf. Die dämmrigen Schatten des neuen Tages krochen bereits über den Fenstersims, als sie einen Entschluss fasste.
In den nächsten Tagen gab es jede Menge zu tun für die Heimkehrer. Der Graf saß mit dem alten Vogt über die Rechnungsbücher gebeugt. Judith ließ die Reisekleidung reinigen, die restlichen Geschenke wurden ausgepackt und
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