Das Geheimnis der Äbtissin
sie nicht als Kaisertochter in einem Dom bestattet werden?« Der Ton seiner Stimme schwankte zwischen Empörung und Hoffnung.
Adela seufzte. Vorsichtig sah sie sich um. Dann sprach sie weiter, so leise, dass Judith mehrmals meinte, sie habe sich verhört. »Ich war einst die Königin dieses Reiches. Als solche habe ich Isabella geboren. Sie glaubte, sie könne daraus Rechte für sich ableiten.« Sie zog die beiden in den Schutz der Mauer. »Ihr wisst ohnehin schon mehr, als für Euch gut ist«, flüsterte sie. »Doch Ihr habt ein Recht darauf, es auch zu verstehen. Isabella war nicht Friedrichs Tochter. Ich wurde nicht schwanger, solange ich bei ihm lag.«
Die Bienen summten in den Rosenblüten. Der Kranz aus weißen Blumen glitt Judith aus der Hand. Sie starrte auf das Gras zu ihren Füßen, ohne es wahrzunehmen, ihre Gedanken rasten. Hatte Beatrix recht, konnte Friedrich keine Kinder zeugen?
Ludwig neben ihr ächzte leise und stützte sich an der Mauer ab. Er sprach die Frage aus, die in der Luft hing. »Wer war ihr Vater?«
Doch Adela schüttelte den Kopf. »Ich werde Euch nicht unnötig in Gefahr bringen. Außerdem bin ich an einen Eid gebunden. Dieser Mann ist unbarmherzig, glaubt mir. Es ist besser für Euch, wenn Ihr …«
Er fiel ihr ins Wort. »Wir glauben, dass es kein Unfall war. Isabella wurde ermordet, weil sie dem Bischof Konrad auf der Spur war. Er hat die Königin …« Er sprach hastig und wurde dabei immer lauter.
»Sei still!« Adelas Augen weiteten sich. »Um der Liebe Christi willen, sprich nicht weiter!« Wie ein gehetztes Reh blickte sie zur Schlupfpforte. »Wenn Euch Euer Leben lieb ist, lasst die Geschichte ruhen. Es bringt Isabella nicht zurück. Glaubt mir, Ihr habt es mit Gegnern zu tun, denen Ihr nicht gewachsen seid.« Sie wandte sich ab und lief zur Tür. Es wirkte wie eine Flucht. »Wenn Ihr mir jetzt mein Bett zeigen würdet, ich muss mich ausruhen.«
Das Abendessen ließ Adela sich in die Kemenate bringen, und am nächsten Morgen reiste sie bereits vor der Frühmesse ab. Der Graf schüttelte während des Frühstücks ungläubig den Kopf. »Was für ein unhöfliches Weib! Ich konnte sie nicht einmal begrüßen. Hat sie gesagt, warum sie es so eilig hatte? Fand sie die Grabstätte unangemessen?« Er wandte sich an Judith. »Du hast ihr doch erklärt, dass es nur eine vorübergehende Lösung sein wird?«
»Ich habe es angedeutet.« Aus dem Augenwinkel sah sie Konrads Blick auf sich gerichtet.
»Angedeutet? Vielleicht hat sie das falsch verstanden?«
»Sie hat gesagt, dass Isabellas Ruhestätte hier auf Lare bleiben wird«, mischte sich Ludwig ein. »Der Kaiser hat kein Interesse an einer Umbettung.«
»Na, da kennt sie Friedrich aber schlecht! Der weiß schließlich, was er seinem Blut schuldig ist!«, schnaufte der Graf verächtlich.
Judith fühlte, wie ihr Röte ins Gesicht stieg, und senkte hastig den Kopf. Im letzten Moment trat sie ihren Bruder, der den Mund schon geöffnet hatte, unter dem Tisch auf den Fuß. Sie atmete auf, als ein Diener erschien. »Ein Bote für Euch, Herr Graf. Er trägt den Botenstab des Kaisers.«
Die Tafel wurde aufgehoben, und sie zog Ludwig eilig nach draußen. »Was machst du? Bist du lebensmüde?« Sie schlug ihn vor die Brust. »Du redest uns um Kopf und Kragen!«
»Na und? Das Leben hat ohnehin keinen Sinn mehr!«
»Versündige dich nicht. Außerdem möchte ich weiterleben.« Neben der Treppe hatte Sida in der warmen Morgensonne gelegen. Jetzt sprang sie auf und drückte sich schwanzwedelnd an ihre Beine. Sie bückte sich und strich ihr abwesend über das weiche Fell.
Ludwig legte ihr versöhnlich den Arm um die Schulter. »Entschuldige. Ich bin egoistisch. Dein Liebster lebt, wenn auch weit weg.« Hinter ihnen trat der Bischof aus der Tür, warf ihnen einen scharfen Blick zu und ging hinüber zur Baustelle. Tagelöhner aus den umliegenden Dörfern hatten begonnen die Fundamente der alten Kapelle freizulegen.
Sidas Fell sträubte sich plötzlich, und ein Knurren stieg aus ihrer Kehle, das ihren schmalen Körper vibrieren ließ. »Ruhig, Sida, bleib ruhig«, murmelte Judith und fasste nach dem Halsband der Hündin.
»Selbst der Hund hat’s verstanden!« Ludwig sah Konrad voller Hass nach. »Irgendwann kriege ich ihn!«
»Hör auf damit! Du hast gehört, was Adela gesagt hat.« Ihr Weg führte wie so oft in Richtung Gärtchen.
»Du denkst auch, dass
er
Isabellas Vater ist?«
Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Es passt
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