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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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gesehen?«
    »Der ist heute früh zur Baustelle geritten.«
    »Beatrix lässt ihre Stute satteln, wir reiten ihr nach!«
    Er stieß den Speer ins Gras und nickte. »Lust auf einen kleinen Ausritt?«, wandte er sich an die Männer. »Sattelt die Pferde!« Als die Soldaten außer Hörweite waren, fragte er: »Bist du sicher?«
    Judith holte tief Luft. »Jetzt oder nie.«
    Sie ließen Beatrix einen Vorsprung. Gemächlich ritten sie die wenigen Meilen durch den Wald, bis vor ihnen der Hügel mit den in die Höhe wachsenden Mauern lag. Die Soldaten scherzten untereinander. Ihnen gefiel der Ausflug bei sommerlichem Wetter.
    »Es ist unsere letzte Möglichkeit«, mahnte sie leise, als sie die Anhöhe hinaufritten. »Wenn es heute schiefgeht, ist Konrad gewarnt. Dann wird er mich gleich morgen verheiraten. Was er mit dir macht, wage ich mir nicht auszumalen.«
    »Verheiraten? Wie kommst du darauf?«
    »Er hat den Grafen von Tonna für mich als Bräutigam bestimmt. Vater ist einverstanden.«
    »Oh.« Ein mitleidiger Blick streifte sie. Auch ihr Bruder schien sich an den fetten alten Mann zu erinnern. »Es wird klappen! Wir müssen nur das Liebesnest der beiden finden. Und dafür sorgen, dass die Soldaten oder die Mönche es auch sehen. Wir brauchen Zeugen.«
    Der Weg auf den Hügel war von vielen schwerbeladenen Wagen ausgefahren. Immer wieder mussten sie Ochsenfuhrwerken ausweichen, die ihnen entgegenkamen, um durch das Tal zum Steinbruch zurückzufahren. Die Bauern, die die Ochsen führten, grüßten ehrerbietig. Sie erkannte den Vater des Hütejungen, der Opfer des tollwütigen Wolfs geworden war, und nickte ihm zu. Von seinem Leiterwagen schaufelte ein rotblonder Junge Steinschutt in die tiefsten Löcher des Weges.
    Die Baustelle schickte ihnen eine Vielfalt an Geräuschen entgegen, die mit jedem Schritt lauter wurden. Hämmer klangen auf Stein, einen Augenblick glaubte Judith aufeinanderschlagende Schwerter zu hören. Männer brüllten Befehle, ein Esel schrie durchdringend. Dazu kam das gedämpfte Knarren von Holz. Fast wie vor Crema während der Schlacht, dachte sie, es fehlt nur das Sirren der Pfeile. Für einen kurzen Moment ließ eine Erinnerung, in der sie neben Silas auf dem Weg zum Verwundetenzelt ritt, ihr Herz schneller schlagen.
    Als sie auf der Kuppe des Hügels ankamen, zügelten sie ihre Pferde und blickten auf ein scheinbar chaotisches Gewimmel von Menschen, Ochsenkarren und Lasteseln. Doch genau wie in einer Schlacht herrschte auch hier eine strenge Ordnung in den Abläufen. Dort, wo die Straße das Klostergelände erreichte, standen beidseits des ausgefahrenen Weges zwei windschiefe kleine Hütten, in denen je ein Mönch saß. Mit Feder und Pergament registrierte der Mann zur rechten Seite die einfahrenden Wagen und notierte ihre Ladung. Der Benediktiner in dem Unterstand gegenüber zahlte den abfahrenden Fuhrleuten ihre Lohnpfennige aus.
    Die aus dem Steinbruch ankommenden Karren wurden gleich im vorderen Teil der Baustelle entladen. Steinmetzgehilfen schoben die Quader über eine Rampe hinunter. Kleinere Brocken zogen Esel und Maultiere mit einer Art Schlepptrage fort, zwischen deren Holzstangen Seile gespannt waren, die größeren rollten die Männer auf kurzen Stangen beiseite. Über dem Lagerplatz hing der helle Klang der Hämmer, etwa ein Dutzend Steinmetze bearbeiteten die nur grob vorbehauenen Steine weiter. Zunächst bekamen sie einen Randschlag, mit dessen Hilfe sich rechte Winkel und parallele Seitenflächen einrichten ließen. Sobald die Quader die vorgeschriebenen Maße und eine glatte Oberfläche aufwiesen, brachten die Gehilfen sie direkt zur Baustelle. Die Fuhrleute beluden die nun leeren Wagen mit dem feinen Steinschutt, den sie hügelabwärts in die tiefen Spurrinnen schaufelten, um die Befahrbarkeit des Weges zu erhalten.
    »Am besten, du wartest hier. Ich werde unauffällig nach dem Bischof suchen.« Ludwig hob die Zügel. Die Männer der Mannschaft waren bereits abgesessen und banden ihre Pferde hinter der kleinen Pförtnerhütte fest. Sie blickten sich nach einem schattigen Plätzchen um und zogen Würfelbecher aus den Satteltaschen.
    »Ich sehe mir die Baustelle an!«, rief sie ihm nach. Es war nicht zu erkennen, ob er sie in all dem Lärm noch verstanden hatte. Vorsichtig trieb sie ihre Stute um die gefährliche Zone herum, in der Steinsplitter zu schmerzhaften Geschossen werden konnten. Im Hintergrund saßen die älteren Steinmetze auf hochbeinigen Holzhockern und meißelten.

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