Das Geheimnis der antiken Kette
verhaften lassen, weil ich sein Haus ausgeraubt hätte.«
Farleys türkisfarbene Augen verengten sich. »Zeigen Sie mir diese Tasche«, sagte er brüsk.
Rue ärgerte sich über diesen Einbruch in ihre Privatsphäre, wusste jedoch auch, dass sie keine andere Wahl hatte, weshalb sie ihm die Tasche reichte.
Der Marshal drehte sie hin und her und versuchte, die Öffnung zu finden, und Rue zog schließlich selbst den Reißverschluss auf.
Farley starrte auf den kleinen Mechanismus, als wäre er ein Käfer unter dem Mikroskop. »Was, zum Teufel …?«
»Das nennt man Reißverschluss«, sagte Rue seufzend. »Das wird erst in fünfundzwanzig oder dreißig Jahren erfunden werden. Sie brauchen also gar nicht danach in Ihrem Lieblingsladen zu suchen.«
Jetzt betrachtete Farley Rue mit der gleichen Aufmerksamkeit, mit der er den Reißverschluss an ihrer leuchtend rosa Tasche untersucht hatte. »Sie sprechen anders als alle, die ich jemals kennengelernt habe, Mrs Fortner natürlich ausgenommen. Woher sind Sie gekommen?«, fragte er ruhig.
Rue verschränkte die Arme. Sie konnte genauso gut die Wahrheit sagen, da ihr ohnedies niemand glauben würde. »Aus der Zukunft. Ich komme vom Ende des 20. Jahrhunderts.« Sie entriss ihm die Tasche, weil sie ihn auf einmal unbedingt überzeugen wollte, damit ein Mensch auf der Welt wusste, was mit ihr passierte. »Hier«, sagte sie und zog das Taschenbuch, einen Spionageroman, heraus und hielt es Farley vor die Nase. »Sehen Sie! Haben Sie schon jemals ein Buch wie dieses mit einem weichen Einband gesehen? Und lesen Sie das Datum des Copyrights.«
Farley drehte das Buch in seinen Händen, sichtlich erstaunt über den hellroten Einband und die goldenen Buchstaben des Titels und des Autorennamens.
»Niemand kann aus der Zukunft kommen«, behauptete er starrsinnig, doch Rue sah, dass ihn das Taschenbuch verwirrte.
»Ich bin es.« Sie stellte die Tasche ab, nahm ihm das Buch ab und schlug die Seite mit dem Copyright auf. »Hier! Lesen Sie das!«
Farley las und sah Rue verblüfft an. »Das ist ein Trick.«
»Wie denn?« Rue wurde immer ungeduldiger, auch wenn sie wusste, dass sie ihn nie überzeugen würde. »Taschenbücher und Reißverschlüsse existieren 1892 nicht, Farley!«
»Sie könnten diese Dinge auf einer wissenschaftlichen Ausstellung in St. Louis oder Chicago oder sonst wo gekauft haben. Es muss sich um irgendeinen Schwindel handeln.«
Rue verdrehte die Augen, bückte sich und holte einen ihrer kostbaren Schokoriegel aus der Tasche. »Habe ich das auch von einer Ausstellung?«
Farley untersuchte stirnrunzelnd die Verpackung.
»Sie müssen das Papier aufreißen«, drängte Rue. »Dann essen Sie, was drinnen ist.«
Farley blickte misstrauisch, aber auch fasziniert drein. Er riss die Verpackung auf und ließ sie auf den Boden fallen.
Rue hob den Abfall auf, während Farley den Schokoriegel zur Tür trug und im letzten Tageslicht betrachtete.
»Na los, Farley«, drängte sie. »Beißen Sie ab!«
Der Marshal knabberte vorsichtig an einem Ende des Schokoriegels. »Hol mich der Teufel«, murmelte er und aß den Rest. »Haben Sie noch mehr davon?«
»Ja.« Rue reckte ihr Kinn vor. »Aber die lasse ich Sie nicht verschlingen. Besonders nicht, wenn Sie mich für etwas verhaften wollen, das ich nicht getan habe.«
»Ich will Sie nicht verhaften.« Farley betrachtete sie neugierig und amüsiert. »Wir haben in Pine River nur eine Gefängniszelle, wie Sie wissen, und die ist bereits belegt. Ich werde Ihnen ein Bett draußen im Stall geben müssen, bis die Kutsche am nächsten Dienstag fährt.«
Rue senkte die Augen. »Da gibt es ein Problem mit meiner Fahrt mit der Kutsche«, gestand sie. »Jemand hat mein ganzes Geld geklaut.«
Er seufzte. »Bei Ihrem Pech ist es ein Wunder, dass Sie bei diesem Pokerspiel gewonnen haben.« Er deutete zur Tür. »Kommen Sie, Miss Rue. Gehen wir hinein. Beim Abendessen überlegen wir, was wir mit Ihnen machen.«
Rue hob ihre Tasche auf und verließ vor ihm den Stall. Tintenblaues Zwielicht senkte sich von den baumbestandenen Hügeln herab, und in der Luft lag ein scharfer Hauch.
Das Innere von Farleys Blockhütte war gemütlich und überraschend ordentlich. Bücher bedeckten eine ganze Wand vom Boden bis zur Decke, und der Tür gegenüber befand sich ein Kamin aus Natursteinen. In einem kleinen Anbau war eine Küche untergebracht, und Rue vermutete, dass die von der Decke herabhängende Indianerdecke Farleys Bett verbarg.
»Hungrig?«, fragte
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