Das Geheimnis der antiken Kette
Zimmerservice bevorzugt.
»Was machen Sie, Miss Claridge?«, fragte der Haushaltsvorstand freundlich. Er war ein großer, schwerer Mann mit schief ergrauen Haaren und einer ziemlich großen roten Nase. »Wovon leben Sie, meine ich?«
Seine Tochter senkte mit einem trägen Lächeln die Augen und war offenbar sicher, dass sich der neue Gast blamieren würde.
»Ich habe geerbt«, erwiderte Rue. Die Behauptung stimmte, nur befand ihr Geld sich in einer anderen Dimension und trug ein Datum, das für diese Leute reine Science-Fiction gewesen wäre. »Meine Familie besitzt eine Ranch in Montana.«
»Was führt Sie nach Pine River, Miss Claridge?«, fragte die junge Frau, die Rue ihren Umhang geliehen hatte.
»Ich wollte meine Cousine Elisabeth Fortner besuchen.«
»Jonathans Frau?«, fragte Mr Sinclair finster. »Die Frau, die wir wegen Mordes vor Gericht gestellt haben?«
»Ja«, antwortete Rue. »Die Frau, die Sie vor Gericht gestellt … und freigesprochen haben.«
Die Stimmung am Tisch wurde nicht leichter. Es schien zu genügen, dass Bethie angeklagt worden war, um ein schlechtes Licht auf sie und alle zu werfen, die ihr nachfolgten.
»Noch Huhn mit Klößen, Miss Claridge?«, schnurrte Miss Sinclair bösartig.
Rues Magen hatte sich zugeschnürt. »Nein, danke.« Sie entschuldigte sich, trug ihr Geschirr in die Küche und flüchtete sich in ihr Zimmer unter der Treppe.
Nach einem zögernden Gang zu der Toilette hinter dem Haus wusch sie sich, putzte die Zähne und stieg ins Bett. Sie drehte den Docht der Lampe auf dem Nachttisch herunter, bis es dunkel war, legte sich zurück und dachte an Farley und den Kuss. Sie hob eine Hand an ihre Brust und staunte, wie sehr ihr Herz hämmerte, und da machte sie eine erschreckende Entdeckung.
Die Halskette war fort.
6. KAPITEL
Rue sprang aus dem Bett und wühlte in ihren Laken und Decken. Es gab kein Anzeichen der Halskette.
Sie sank auf die Knie und suchte jeden Zoll des Fußbodens ab, da ihr nur allzu bewusst war, dass sie in diesem Jahrhundert festsaß, wenn sie den antiken Anhänger nicht fand.
Sie grub in ihrer Sporttasche, als das letzte Lampenöl aufgebraucht war und der winzige Raum dunkel wurde. Sie kniete einfach auf dem rissigen Holzboden, atmete schwer und kämpfte gegen den Drang, hysterisch zu schreien.
Endlich gewann die Vernunft die Oberhand. Ihre Schritte in der Stadt konnte sie erst am Morgen verfolgen. Taschenlampen waren noch nicht erfunden worden, und wenn Farley sie um diese Uhrzeit auf den Bürgersteigen ertappte, steckte er sie wahrscheinlich aus Prinzip erneut ins Gefängnis.
Sie legte sich wieder hin, aber bei aller Selbstbeherrschung konnte sie in dieser Nacht nicht schlafen. Sobald die Sonne aufging, jagte Rue aus ihrem Zimmer.
Sie folgte jedem Schritt, den sie am Vortag getan hatte, doch der ganze Morgen verging, und sie hatte die Halskette noch immer nicht.
Als letzten Versuch betrat sie Farleys Büro. Er hängte gerade seinen Hut an den üblichen Haken, und ein großer, zerknittert wirkender Mann schnarchte auf der Zellenpritsche.
Als Farley lächelte, war Rue, als würden die Bodenbretter unter ihren Füßen nachgeben. »Guten Tag, Miss Claridge«, sagte der Marshal.
Er tat, als habe er sie am Vorabend nicht geküsst, und Rue beschloss, darauf einzugehen.
»Vielleicht haben Sie meine Halskette gefunden. Wenn Sie bitte in Ihrer Abteilung Fundbüro nachsehen wollen.« Sie klang so steif wie Miss Ella Sinclair oder eine dieser Wächterinnen.
Farley griff nach der Kaffeekanne auf dem Ofen. »Wir haben nie ein Fundbüro hier in Pine River gebraucht. Die Leute wissen recht genau, was Ihnen gehört und was nicht.«
Rue sackte ein wenig in sich zusammen. »Dann hat also niemand meine goldene Halskette gefunden?«
Farley betrachtete sie mitfühlend und schüttelte den Kopf. »Kaffee?«
»Nein, danke«, antwortete sie abwesend. »Ich muss diese Halskette finden …«
Da sie nirgendwo mehr suchen konnte, kehrte Rue in das Sinclair-Haus zurück. Es war leer, und da sie wahrscheinlich das Mittagessen versäumt hatte, ging sie zu ihrem Zimmer. Sie öffnete gerade die Tür, als das Stöhnen einer Frau von oben herunter zu hören war.
Rue lief die Treppe hinauf. Die Geräusche kamen aus dem ersten Zimmer auf der rechten Seite. Sie klopfte leicht. »Hallo, alles in Ordnung?«
»Ja.« Ein heftiges Stöhnen folgte.
Rue öffnete die Tür einen Spalt und sah Alice McCall auf einem schmalen Bett im Unterhemd liegen. Eine Warmflasche lag auf
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