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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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würde.

    »Nachgerade glaube ich, dass der Allmächtige sich einen üblen Scherz mit mir macht. Da lässt er mich erst warten und warten, und nun bringt er mir das Kind zur Unzeit«, sagte Matthäa mit einem Anflug von Ärger und warf einen finsteren Blick zum Lager ihrer Wächter hinüber.
    Außer dem schweigsamen Peppin, der in der Nähe der Herdstelle mit einem Holzbrett über den Knien auf dem Boden hockte und schnitt und häckselte, was es zu schneiden und zu häckseln gab, schienen die übrigen Männer dem Müßiggang zu frönen, während die beiden Frauen das Mittagsmahl vorbereiteten.
    Als ihr Blick zur Heilerin zurückkehrte, war der Ärger aus Matthäas Zügen verschwunden. Die unterdrückte Furcht in ihren Augen schien Garsende der Spiegel ihrer eigenen zu sein, die seit ihrer Gefangennahme stets im Hintergrund lauerte. Wie von selbst tastete ihre Hand nach dem Beutel an ihrem Gürtel, der ihren unheilvollen Schatz barg.
    »Kannst du nicht irgendetwas tun, um die Niederkunft hinauszuzögern, ohne meinem Kind zu schaden?«, flüsterte die Burggräfin.
    So rasch, als hätte sie sich verbrannt, zog Garsende ihre Hand zurück.
    »Ich kenne manches Kraut, das eine Geburt zu beschleunigen vermag, doch keines, welches imstande ist, sie aufzuhalten«, antwortete sie. »Doch Ihr solltet Euch niederlegen. Ihr seht erschöpft aus.«
    Matthäa schüttelte den Kopf. »Du siehst selbst erschöpft aus.«
    Unwillkürlich fuhr sich Garsende über ihre feuchte Stirn. Dann zwang sie sich zu einem Lächeln. »Unsinn. Das ist nur die Hitze«, widersprach sie. »Ihr aber braucht bald all Eure Kräfte.«

    Als die Burggräfin schließlich nachgab und die Herdstelle verließ, schloss Garsende für einen Augenblick die Augen, während ihre Finger erneut nach dem Beutel an ihrem Gürtel tasteten.
    Es ist nur die Hitze, hatte sie Matthäa versichert. Vielleicht war es wirklich nur die heiße und zum Schneiden dicke Luft in der Kapelle, die für die Übelkeit und den kalten Schweiß auf ihrer Stirn verantwortlich war. Vielleicht war es aber auch etwas … anderes.
     
    Es hatte schon gedämmert, als der welsche Söldner mit den frostigen Augen sie gestern vor die Kapelle geführt hatte, damit sie am Waldrand ihre Notdurft verrichten konnte. Und dort hatte sie die kleinen Knollen entdeckt. Jung noch, wie unschuldig ihre Tödlichkeit unter einem weißen Häutchen verbergend, hatten sie kaum eine Armeslänge von ihr entfernt zwischen dem modrigen Laub unter einer Eiche hervorgelugt.
    »Fass das niemals an, Kind!«, war die scharfe Stimme ihrer Mutter durch ihre Gedanken gejagt. Einen Lidschlag lang hatte Garsende sich selbst gesehen, wie sie die ausgestreckte Hand erschrocken zurückgezogen hatte, und hörte sich fragen: »Warum nicht?«
    »Das ist Hels Daumen«, hatte ihre Mutter geantwortet. »Manche sagen, schon die Berührung würde genügen, um einen Menschen qualvoll sterben zu lassen. Der Verzehr aber in jedem Fall.«
    Garsende hatte die Warnung nie vergessen und stets einen Bogen um Hels Daumen gemacht, wann immer er ihr untergekommen war. Bis gestern.
    Es war ihr wie ein Omen erschienen, just diesen Pilz hier zu entdecken, und es war die Entscheidung eines Augenblicks, in fliegender Hast danach zu greifen.

    Jeder Plan zur Flucht, den Matthäa und sie des Nachts flüsternd geschmiedet hatten, war bisher an der Wachsamkeit und der Vorsicht ihrer Wärter gescheitert oder hatte sich wegen Matthäas Zustand als undurchführbar erwiesen. Und mit jedem Tag, der verging, schien es unwahrscheinlicher, dass eine Rettung von außen kommen würde.
    Zermürbend wie die Ungewissheit, was mit ihnen geschehen würde, war auch die Unkenntnis, was außerhalb der Kapelle vor sich ging. Entweder wussten die Söldner selbst nicht, was draußen geschah, oder sie hatten Order, den Frauen nichts darüber zu sagen. So blieben Garsende und Matthäa nur mehr Vermutungen und eine Hoffnung, die täglich mehr und mehr schwand.
    Vielleicht hatte der junge Jude noch einmal versucht, Matthäa und ihr zu helfen, und war gescheitert. Vielleicht hatte er aufgegeben. Vielleicht war er tot. Vielleicht hatte der Burggraf Garsendes Botschaft erhalten und war auf dem Weg nach Worms. Vielleicht hatten die Männer ihr Ziel auch erreicht, und Bandolf von Leyen glaubte, seine Gattin sei ertrunken. Vielleicht war er dem Plan der Männer zu nahe gekommen. Vielleicht war er gefangen, oder … vielleicht …
    Und fast ebenso unerträglich war die Untätigkeit, gab es doch

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