Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
jedem Bissen kehrten seine Lebensgeister mehr und mehr zurück. Satt und gestärkt ließ er sich zurück in die Kissen fallen und wartete darauf, was nun passieren würde. Irgendwann müsste sich sein Retter – wenn es denn einer war – ja zu erkennen geben. Doch es geschah nichts. Das Winterlicht draußen wich der Dunkelheit, das Kaminfeuer brannte langsam herunter, und niemand schien sich um ihn kümmern zu wollen. Fabrizio suchte das Gemach nach Zeichen ab; bei den Nobili war es Sitte, das Familienwappen darzustellen – auf Gobelins, an den Wänden, auf dem Geschirr. Aber hier war nichts zu finden, was auf seinen Aufenthaltsort hindeutete. Nun, er würde es schon herausfinden.
Zu seiner Überraschung war die Zimmertür nicht verschlossen. Leise stieg er die Treppe hinunter und hörte Stimmen. Es waren wohl mehrere Männer, die sich in einem angrenzenden Raum befanden. Wenn sie mich umbringen wollten, hätten sie das schon längst tun können, dachte er, also werde ich versuchen, mit ihnen zu reden. Entschlossen stieß er die Tür auf, hinter der er den Speisesaal und die Männer vermutete. Und wirklich. Fünf Männer, alle bewaffnet, saßen am Tisch und redeten laut durcheinander. Bei seinem Anblick verstummten sie auf der Stelle. Dann standen sie auf und traten ihm ruhig entgegen. Fabrizio erkannte sofort, dass er es mit Söldnern zu tun hatte – ihre Gesichter und die Narben darin zeugten von vielen Kämpfen, ihre Augen waren kalt und leer. Sie würden einer Mutter das Kind nehmen und es vor ihren Augen vierteilen, dachte er angewidert. Laut sagte er:
»Ich bin Fabrizio di Nanini, Sohn des Principe von Siena, und ich möchte mich bei dem bedanken, der mich aus dem Kerker befreit hat. Ist er unter euch?«
Die fünf sahen einander an und lachten schallend.
»Wir wissen, wer du bist«, fing der Erste an zu reden, »darum bist du ja hier. Und was deinen Retter anbetrifft – ich weiß nicht, ob das Wort trefflich gewählt ist.«
»Du bist nicht mehr im Kerker, aber frei bist du auch nicht und gerettet schon gar nicht«, sprach nun der Zweite.
»Wir sind da, damit du nicht auf den Gedanken kommst, uns vor der Zeit zu verlassen«, erklärte ein anderer Söldner. »Und nun geh in dein Gemach, Sohn Sienas, hier hast du nichts verloren.«
Fabrizio sah in die Runde und empfand nichts als Abscheu für dieses käufliche Gesindel. Also hieß es warten. Ohne ein weiteres Wort an die Männer zu verlieren, drehte er sich um und ging zurück in sein Zimmer. Verwundert sah er das Mädchen mit den Mandelaugen vor seinem Bett stehen. Sie trug nichts als ein zartes Tuch, das kunstvoll um ihren Körper gewickelt war. Ihr Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, der tief bis in den Rücken reichte. In ihren Händen hielt sie einen kleinen Krug.
Fabrizio zog sich aus; das Mädchen kicherte schamhaft. Als er sein Nachthemd überwerfen wollte, schüttelte sie den Kopf und zeigte immer wieder auf das Bett. Wahrscheinlich war sie eine Hure, die man ihm zum Zeitvertreib beschafft hatte. Warum nicht. Gegen das Streicheln kundiger Hände hatte er nichts einzuwenden. Ohne ihren Blick loszulassen, legte er sich auf die Laken. Sie krabbelte neben ihn und versuchte, ihn dazu zu bewegen, sich auf den Bauch zu rollen. Fabrizio schmunzelte. Was sollte ihm schon geschehen? Mehr als ihm ein Messer in den Rücken jagen konnte sie nicht.
Er streckte sich erwartungsvoll aus. Und da waren schon ihre Hände, verteilten etwas Duftendes auf seinem Rücken; es war wohl Öl. Die kleinen Finger suchten die Stellen an seinem Hals, an seinem Rückgrat, die am meisten schmerzten. Mit festem Griff knetete sie sein Fleisch, drückte ihm die Ellbogen, dann auch die Knie und Füße in den Rücken. Fabrizio spürte, wie sich die Erlebnisse der letzten Tage – oder waren es Wochen? – in ihm auflösten, so wie ein übler Geruch verschwindet. Die Kleine hielt nun inne, und er konnte hören, wie sie ihr Tuch abstreifte. Dann spürte er sie. Sie legte sich mit ihrem ganzen Körper auf ihn, umschloss ihn mit ihren Armen. Sie küsste seinen Nacken, die Schultern, die Arme. Fabrizio stöhnte auf vor Genuss. Noch nie waren alle seine Sinne auf einmal dermaßen verwöhnt worden. Die Kleine schien es auch zu genießen, denn sie begann in hohen Lauten zu stöhnen und redete wieder in dieser Sprache, die so geheimnisvoll und fern klang. Sie setzte sich auf; er spürte, wie sie sich selbst streichelte. In ihm wurden Bilder wach von früheren Momenten der Lust. Dies
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