Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Martini war aufgeregt, sehr aufgeregt sogar. Mit schnellen Schritten trippelte er in seinen neuen Stiefeln von seinem Haus zur Kirche. Gierig sog er die Luft ein. Ja, Grosseto war ein wunderbarer Ort. Und Mario, dieser Tölpel von einem Wirt, hatte wirklich Recht gehabt. Seitdem in Florenz wieder Frieden herrschte, war sein kleines Städtchen ein einziges Brummen an Geschäftigkeit. Vor seinem inneren Auge regnete es Gold- und Silberstücke. So viele Steuern! Und wie es das Recht des Vogts war, durfte er seinen Anteil behalten. Mit sich und der Welt vollkommen zufrieden eilte er durch den klaren Wintermorgen weiter voran. Gleich würde er den Fremden im Beichtstuhl treffen. Und er, Martini, würde heute die zweite Hälfte des Blutgeldes bekommen. Der Stadtvogt schmatzte laut vor Gier. Natürlich würde er der Kirche etwas spenden. Der arme Prete sah so unglücklich aus. Der Vogt grinste. Er war eben nicht der Einzige unter ihnen, der die bezaubernden Fertigkeiten des Zigeunerweibes vermisste. Aber nichts im Leben währt ewig, sagte sich der Vogt. Irgendwann würde eine andere kommen und dann …
»He, Pietro!«
Das war der Wirt. Martini seufzte. Später war genug Zeit, um zu trinken und zu reden, aber jetzt musste er sich sputen.
»Es ist wichtig«, schrie Mario ihm nach. Martini winkte ab und trippelte weiter. Der Wirt sah ihm nach, bis er die Kirchentür hinter sich geschlossen hatte.
»Dann leb wohl, du Gierschlund«, sagte Mario leise und trat in seine Schankstube zurück.
Der Stadtvogt wunderte sich, nirgendwo den Pfarrer zu entdecken. Morgen war die Nacht des Herrn, es gab viel für die Christmette vorzubereiten. Martini blieb stehen und horchte. Nichts. Immer noch frohen Mutes ging er geradewegs zum Beichtstuhl. Als er sich wie zum Gebet niederkniete, wurde von innen der samtene Vorhang beiseitegezogen, und er erkannte das Profil. Erleichtert seufzte er auf. Es war der Mann, den er erwartet hatte.
»Sie hat überlebt«, sagte der Fremde statt einer Begrüßung. Seine Stimme war nur ein leises Flüstern und gepresst vor verhaltenem Zorn. »Du hast versagt, Martini.«
Der Stadtvogt starrte auf das Gesicht hinter dem Gitter. Damit hatte er nicht gerechnet. Der raue Geselle, der sich um das Mädchen kümmern sollte, hatte ihm haarklein vom Ablauf der Tat berichtet.
»Sie ist ertrunken«, sagte er. Seine Stimme zitterte.
»Ist sie nicht«, sagte der andere kalt. Die Sporen an seinen Stiefeln klingelten.
Jetzt riss sich Martini die Mütze vom Kopf und warf sich vor dem Beichtstuhl der Länge nach auf den Boden. Er wimmerte vor Angst.
»Es ist nicht dein erster Fehler, Vogt. Du erinnerst dich an Petrucci? Wie ein Waschweib hast du geplappert. Das ist mir zu Ohren gekommen. Und glaube mir, Vogt, mir gefällt das ganz und gar nicht.«
Martini heulte auf. Er wusste, er war in Todesgefahr. Er wollte etwas zu seiner Entschuldigung sagen, doch der Fremde im Beichtstuhl kam ihm zuvor.
»Ich denke, wir sollten uns trennen. Das Geld kannst du behalten. Und nun geh.«
Verwirrt hob der Stadtvogt den Kopf. War es möglich, dass er davonkam? Langsam stand er auf, gewahr, dass hinter jeder Säule ein Mörder warten könnte. Er verneigte sich gegen den Beichtstuhl, nahm seine Mütze und lief, so schnell er konnte, zur Tür. Sie war verschlossen.
»Ich habe ihn doch gewarnt.«
Der Wirt hatte seinen besten Wein aus dem Keller geholt und goss sich und dem Prete großzügig ein. Martini war ein böser Mann gewesen, und es hatte schon seine Richtigkeit, wenn der Teufel ihn geholt hatte. Aber gewarnt hatte er ihn trotzdem.
»Gewarnt? Wovor denn?«
Langsam fand der Pfarrer seine Sprache wieder. Er hatte den Vogt gefunden, an der Kanzel aufgeknüpft, beide Augen ausgestochen, die Augäpfel in den Mund gestopft. Unter Schurken das Zeichen für Verrat. Mario schob dem Geistlichen eine Schale Suppe über den Tisch.
»Zwei Männer waren heute Morgen in der Schenke. Sie haben gegessen und getrunken und viel zu viel dafür gezahlt. Das ist immer verdächtig. Danach schlichen sie um die Kirche herum.«
»Das verstehe, wer will«, sagte der Prete nachdenklich und blies in seine Suppe, »erst essen und trinken und dann morden. Ohne jede Vorsicht. Ohne Angst, dass sie jemand erkennt.«
Mario nickte zustimmend.
»Ich habe sie noch nie zuvor gesehen, und ich vergesse kein Gesicht, glaubt mir, Vater.«
Die Nachricht vom schrecklichen Ende des Vogts verbreitete sich mit Windeseile in Grosseto. Seine Schwester nahm es mit
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