Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
ihm. Er konnte sich auf etwas gefasst machen, wenn er wieder auftauchte!
Gianni wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn und schaute in die Runde. Alle um ihn herum waren beschäftigt. Die gute alte Gabriella und Anna zupften Kräuter, das Küchenmädchen achtete auf den Schwan, Carlo hatte sich den spielenden Mädchen angeschlossen, und seine beiden Gesellen standen draußen im Hof und zogen den Hasen, die heute erlegt worden waren, das Fell über die Ohren.
»Gib mir einen Schluck Wein, Weib.«
Er bedeutete Gabriella, seinen Holzkrug zu füllen. Dann wandte er sich an seine Helfer.
»Nehmt euch. Ihr alle, trinkt und esst etwas. Wir müssen bei Kräften bleiben. Die nächsten Tage wird es kaum Schlaf für uns geben. Trinkt. Auf unseren Conte, Sua Nobiltà Ascanio di Cavalli. Salute.«
Der Küchenmeister hob seinen Becher und leerte ihn in einem Zug. Jetzt sah die Welt schon anders aus. Er gab der Alten ein Zeichen, ihm nachzuschenken, griff nach einer Zwiebel und einem Stück Brot und schnitt beides mit eleganten Bewegungen, die gar nicht so recht zu seiner etwas grobschlächtigen Erscheinung passen wollten, in mundgerechte Stücke. Er kaute bedächtig, genoss den scharfen Geschmack der Zwiebel und dachte nun mit väterlichem Stolz an Benedetto, den er wohl als Mann wiedersehen würde. Gianni spürte einen Moment der Wehmut, dann hörte er schnelle Schritte, die sich der Küche näherten. Schon bevor sich die schwere Tür öffnete, wusste er, wer nun hereinkommen würde. Es gab nur einen Menschen in Lucca mit diesem energischen, harten Schritt: Ascanio di Cavalli.
»Der Koch! Wo ist der Koch?«
Die laute Stimme des Conte ließ die kleine Schar der Bediensteten zusammenschrecken. Der Graf zeigte sich hier nicht oft. Er kam nur, wenn ihm etwas besonders am Herzen lag. Di Cavalli blieb an der Feuerstelle stehen und blickte sich im Raum um. Er sah Gianni an, der die Hände über seinem dicken Bauch zusammengelegt hatte und mit gesenktem Blick auf ihn zuging.
»Herr!?«
Dem Koch klopfte das Herz heftiger. Er traute sich nicht, di Cavalli in die Augen zu schauen. Er hatte neue Rezepturen ausprobiert, andere Gewürze verwendet, was war, wenn es den Nobili nicht gefiel, wenn seinen Herrn diese Eigenmächtigkeit erboste? Der Zweifel an seinem eigenen Können trieb dem Küchenmeister die Tränen in die Augen. Die Befürchtung, an den ersten beiden Tagen der Jagd versagt zu haben, war ihm unerträglich.
»Sieh mich an, Koch.«
Der Conte sprach mit ruhiger Stimme, die sogar eine Spur Herzlichkeit enthielt. Gianni hob den Blick. Die schwarzen Augen seines Herrn funkelten.
»Ich komme nicht meinetwegen, Koch. Meine Gäste sind der Grund. Sie lassen dir Dank sagen für das, was du uns an den letzten beiden Tagen zubereitet hast, und sie sind gespannt, was noch kommt. Ich habe ihnen versprochen, dass es noch köstlicher sein wird. Enttäusch mich nicht, Koch. Und ihr anderen, enttäuscht auch ihr mich nicht. Wenn ihr mich überrascht, wenn ihr meine Gäste zum Strahlen bringt, soll es euer Schaden nicht sein. Und nun an die Arbeit. Wir haben Hunger.«
Die Anspannung in Giannis Gesicht wich einem Lächeln, sein Herz hüpfte. Er verbeugte sich vor dem Grafen und nickte. Sprechen konnte er nicht. Vor Stolz und Freude brachte er kein Wort heraus, doch seine Augen sprachen Bände. Di Cavalli nickte seinem Küchenmeister noch einmal kurz zu, dann wandte er sich zum Gehen. Seine Gedanken waren bei Vivica, bei Donata … da fiel sein Blick auf die offene Tür zum Garten.
Unter den Stimmen der spielenden Kinder war die seines Sohnes die lauteste. Kaum hatte der Junge ihn gesehen, lief er jauchzend in die Küche. Magdalena folgte ihm, so schnell sie nur konnte, und wurde dabei, bevor sie den Grafen erreichte, von Anna abgefangen. Der Conte, von seiner guten Laune beschwingt, betrachtete die unbekannte Frau mit dem Kind und ging auf Anna zu.
»Ich kenne dich nicht, Weib. Arbeitest du hier?«
Anna schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Tochter zu bändigen, die wieder auf die Erde gesetzt werden und weiterspielen wollte.
»Sie ist meine Nichte, Herr«, erklärte Gabriella mit ruhiger Selbstverständlichkeit. Sie war neben Anna getreten und durfte als Einzige in der Dienerschaft unaufgefordert das Wort an den Conte richten. »Sie besucht mich für ein paar Tage und hilft mir im Garten.«
Der Graf nickte.
»Du hast eine schöne Tochter«, richtete er sich noch einmal an Anna und gab ihr ein Zeichen, das Kind
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