Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
auf den Boden zu setzen. Daraufhin gesellte sich Magdalena sofort wieder zu Carlo. Sein Sohn war inmitten dieser Menschen gut aufgehoben, das spürte di Cavalli. Er ging auf die beiden Kinder zu, die nun direkt an der Feuerstelle saßen. Es war schön, sie dort zu sehen, so glücklich in ihr Spiel vertieft. Er beugte sich zu den Kindern hinab. So etwas machte er sonst nie vor seinen Dienern, aber heute war ein besonderer Tag und was scherte ihn da seine Grafenwürde. Er war ein Vater, und in diesem Moment fühlte er tiefe Zuneigung für seinen jüngeren Sohn. Er wollte ihm nahe sein. Carlo, sichtlich erfreut über die unverhoffte Aufmerksamkeit, streckte ihm sein Spielzeug entgegen, ein Holzscheit, und Annas Tochter machte es ihm nach. Strahlend blickte sie den Conte an und quietschte vergnügt.
Da geschah es. Ein heiserer Laut entfuhr der Kehle des Grafen. Blitzartig zog di Cavalli das kleine Mädchen an sich heran und musterte das junge Gesicht eingehend. Dann hob er die Kleine hoch, noch immer in ihre Augen vertieft. In der Küche war es still geworden. Alle betrachteten den Conte, aus dessen Gesicht auf einmal alle Freude und Gelassenheit gewichen war. Seine Züge schienen zu einer Maske gefroren, und seine Augen leuchteten in schmerzlichem Erkennen. Gabriella bekreuzigte sich. Anna blickte irritiert von einem zum anderen.
Magdalena erwiderte den Blick des Mannes vollkommen unerschrocken. Doch auch sie gab keinen Laut mehr von sich. Schließlich fand di Cavalli die Sprache wieder.
»Wie alt ist dein Kind?«
Der Graf ließ die Kleine langsam zu Boden sinken, als hätte er keine Kraft mehr, sie noch länger zu halten. Seine Kiefer mahlten. Er wartete auf die Antwort.
»Sie ist zwei Jahre alt, Herr.«
Anna konnte vor Aufregung kaum reden. Sie spürte die Bestürzung dieses großgewachsenen, so kriegerisch aussehenden Mannes, aber sie fühlte sich vollkommen hilflos und unschuldig an dem, was hier gerade vor sich ging.
Der Blick des Conte ging durch sie hindurch, er nickte langsam, dann öffnete er die Tür und trat in den Hof hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen.
In der Küche blieb es still. Niemand verlor ein Wort. Gabriella war es schließlich, die sich als Erste fasste. Sie zog das Mädchen zu sich auf den Schoß, drückte es fest an sich und sagte leise zu Anna:
»Es sind die Augen, meine Kleine. Er hat ihre Augen gesehen.«
5. KAPITEL
A nna nahm den Conditoio vom Haken und wickelte ihn in ein frisches Leinentuch. Der große Schinkenknochen wurde von Familie zu Familie in der ganzen Umgegend weitergegeben. Die Frauen in der Maremma hängten ihn in die Zuppa, um dem ärmlichen Gericht etwas mehr Würze zu verleihen, und brachten ihn dann zum Nachbarn. Anna probierte die Suppe und gab noch etwas Knoblauch und Salbei hinzu. Dann trat sie vor die Tür, um ihre Töchter und Giacomo zum Essen zu rufen. Der Buttero war in Grosseto gewesen und hatte sich dort mit dem Vogt unterhalten.
Die Zeiten waren hart, und das Leben in der Maremma war noch schwerer zu meistern als gewöhnlich. Die hohen Steuern ließen den einfachen Menschen kaum etwas zum Leben übrig.
»Was erzählt man sich in der Stadt?«, fragte Anna, während sie ihrem Mann die Holzschale füllte. Er sah sie sorgenvoll an. Seine schöne Anna mit den bernsteinfarbenen Augen. Sie hatte gelitten in den letzten Jahren. Der Sumpf forderte seinen Tribut. Feine Fältchen umringten ihren dichtbewimperten Blick, und ihre Wangenknochen traten schärfer hervor als früher. Wie sehr er sie liebte. Ein Leben ohne Anna – unvorstellbar. Der Viehtreiber räusperte sich. Er konzentrierte sich auf sein Gespräch mit dem Stadtvogt und begann zu erzählen.
»Martini sagt, Papst Alexander ist ein Lump. Sein Sohn Cesare, den er zum Kardinal gemacht hat, ist wohl mehr auf dem Schlachtfeld als hinter dem Altar anzutreffen. Er paktiert. Mal mit dem einen, dann mit dem nächsten. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieser Hurensohn Lucca angreifen wird. Natürlich unter dem Vorwand, Geld für die heilige Mutter Kirche einzusammeln. Auf dass die spanische Rattenbrut noch feister und mächtiger werde! Diese Meinung teilen auch die Kaufleute.«
Die Mädchen blickten ihren Vater verständnislos an. Sie sahen ihn selten so aufgebracht.
»Die Borgia sind eine Plage.«
Anna seufzte und strich sich gedankenverloren eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es ist schon Grau darin, dachte Giacomo zärtlich und redete weiter.
»Aber nicht nur für die Romagna. Ich sage dir,
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