Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
mit schnellen Schritten auf seinen Vater zu und umarmte ihn herzlich. Dieser entwand sich jedoch ungeduldig den Armen des Jüngeren und fragte ein weiteres Mal:
»Was denn nun, Fabrizio. Zum Teufel noch einmal. Dein Fürst erwartet eine Antwort.«
Der junge Mann legte den Kopf schief und lächelte seinen Vater entwaffnend an. Er wusste, der Fürst liebte dieses kleine Spiel genauso wie er.
»Ihr solltet nicht fluchen, Herr, sonst kommt der Teufel wirklich.«
»Soll er doch kommen … ich habe dem Teufel ins Gesicht gesehen, mein Junge, mich kann nichts mehr schrecken, also denn. Erzähl mir von Lucca.«
Di Nanini legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter, und Seite an Seite betraten sie den Palazzo, dessen Eingang unter stolz geschwungenen Arkaden lag. Plaudernd stiegen sie die Treppe zum Obergeschoss, dem Piano Nobile, hinauf. Hier lag der mit Fresken und Familienwappen verzierte große Saal, das Zentrum ihres täglichen Lebens.
»Es ist schön, wieder hier zu sein, Vater.«
Mit der Ungezwungenheit der Jugend ließ sich Fabrizio in einen der schweren geschnitzten Holzsessel gleiten und machte dem Diener ein Zeichen, ihm Wein einzuschenken. Es gab viel zu erzählen, gewiss, aber sein Vater wollte nicht nur einfach Neuigkeiten hören, die hätte jeder Bote übermitteln können. Nein, der Fürst liebte Geschichten, so wie er die Kochkunst liebte, und es war an ihm, seinem Sohn, dem Principe mit diesen Geschichten eine Freude zu machen. Fabrizio konzentrierte sich. Mit einer entschiedenen Geste setzte er den Weinpokal ab, stand auf und begann seinen Bericht.
Die wirtschaftliche Blüte der Seidenstadt schien sich ihrem Ende zuzuneigen. Der Bau der Stadtmauer kostete Abertausende Scudos, und das einfache Volk war unzufrieden. Die Bauern trugen schwer an der Last der hohen Abgaben. Die letzte Ernte war schlecht gewesen, und der kommende Sommer würde heiß werden – keine guten Aussichten also auch für dieses Jahr. Zu allem Überfluss gab es Reibereien mit Florenz; die Medici, obgleich in der Verbannung lebend, sorgten nicht nur in ihrer eigenen Stadt für Angst und Schrecken, sondern waren offenbar fest entschlossen, ihr Herrschaftsgebiet auszuweiten. Frankreich, das nach der Teilung Neapels und der Inthronisierung Ferdinands bemüht war, seine Stellung in Italien zu halten, hatte der Stadt bereits Unterstützung zugesagt, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die ersten Soldaten kamen, um Florenz gegen die Rückkehr der Medici zu verteidigen.
»Ein guter Nährboden für Aufstände und Krieg«, sagte der Fürst ernst und berührte die Augenklappe, die die leere Höhle bedeckte. Die Wunde war verheilt, aber sie schmerzte immer noch. Sein Sohn beobachtete ihn, nickte.
»Und für Scharlatane. Wunderheiler ziehen durch das Land, behaupten, sie könnten das Fieber fernhalten, und nehmen den Armen das letzte Stück Brot.«
»Und Ascanio?«
Fabrizio bemerkte das leichte Zittern in der Stimme seines Vaters, wie immer, wenn er diesen Namen aussprach. Der Conte war Andreas Vetter zweiten Grades, und der junge Mann wunderte sich oft, warum es zwischen seinem Vater und diesem Onkel keinerlei Verbindung mehr gab. Als er ein kleiner Junge gewesen war, hatten sich die Familien gegenseitig besucht – bis sich auf einmal alles änderte. Doch gerade jetzt, wo der Zusammenhalt so wichtig war, musste man sich austauschen. Die Medici waren schließlich das beste Beispiel dafür, dass Macht und Einfluss einer Familie auch ohne gegenseitige Sympathie der Verwandten möglich waren.
»Di Cavalli und seine Söhne geben Jagdgesellschaften. Pandolfo Petrucci soll öfters daran teilnehmen. Mehr weiß man von ihnen nicht zu berichten. Sie leben sehr zurückgezogen.«
»Hm.« Di Nanini schien nachdenklich. »Und sonst? Hast du auch etwas Schönes zu berichten?«
Sein Gesicht hellte sich erwartungsvoll auf. Fabrizio schmunzelte. Auf diese Frage hatte er gewartet.
»Oh ja, mein Fürst. Und es wird Euch sehr gefallen. Ascanios Gäste erzählen ganz entzückt von den Küchenkünsten am Hofe. Es würden dort die ungewöhnlichsten und köstlichsten Speisen gereicht, eine fantasievoller als die andere.«
Er sah seinen Vater an und wusste, dass er nun dessen volle Aufmerksamkeit genoss. Um die Spannung noch etwas zu steigern, nahm er einen Schluck Wein, dann fuhr Fabrizio fort:
»Sie füllen Kraniche mit Schweinebrät und Honig und ziehen dem Vogel seine Federn wieder an, bevor sie ihn zur Tafel bringen. Und sie braten Kalmare mit
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