Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
daran glaubte Massimo ganz fest, wohnten ihre Mütter und gaben von dort oben auf sie Acht. Und jedes Sternenblinken sei ein Kuss.
Ein Kuss … Fabrizio dachte an den Kuss der Marketenderin, und ein Schauer durchlief seinen Leib. Sie hatte sich zu ihm gesellt, nachdem die anderen Händler ihr Zeug zusammengepackt und sich wieder in alle Winde zerstreut hatten. Auf einmal war sie da gewesen und hatte sich so dicht neben ihn gesetzt, dass er die Härchen an ihrem Unterarm spüren konnte. Sie sah ihn an, und seine Schüchternheit berührte sie. Da begann sie zu erzählen. Davon, wie sie ihre Kräuter sammelte und wo sie sie verkaufte. Ihre Geschichten waren voller Lebendigkeit und Wärme, und Fabrizio trank die Worte von ihren Lippen. Er nahm ihren Duft auf, wie er vom Abendwind sacht zu ihm herübergetragen wurde. Sie roch nach Kräutern und Blumen, und er konnte nicht anders, als sie an sich zu ziehen und den Kopf in ihrem Haar zu vergraben.
Da nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn hinter die Mauer vom Kirchhof. Dort war das Gras hoch und dicht, und sie mussten keine ungebetene Gesellschaft fürchten. Ihre Augen waren sanft und ließen ihn seine Angst vor Entdeckung – welcher Art auch immer – vergessen.
Beim Gedanken an diese Momente atmete Fabrizio tief aus. Nie zuvor hatte er dieses Sehnen verspürt, diese Dringlichkeit, wissen zu wollen, was es heißt, ein Weib in den Armen zu halten. Sie hatten nur wenig gesprochen, ja. Wenn er ein einfacher Mann gewesen wäre, hätte sie ihm wohl ihren Namen verraten und wann sie wieder ihre Kräuter feilhalten würde. So aber ließ sie sich neben ihm nieder und berührte einfach und ohne Scheu seine Hand. Sie küsste ihn, behutsam, und merkte schnell, dass er ein unerfahrenes Kind im Körper eines jungen Mannes war. Ihre Fingerspitzen brannten ihm wie kleine Feuer auf der Haut, und sie quittierte seine Küsse und ungeschickten Versuche, sie zu liebkosen, mit der zärtlichen Wehmut einer Frau, die weiß, wie schön es ist, all diese Entdeckungen noch vor sich zu haben. Ihre Hände öffneten sein Wams und dann sein Hemd, und dann stand sie auf und legte vor ihm ihren Gürtel ab, ihren Rock, ihr Unterkleid, und er sah sie als Silhouette in tiefstem Schwarz vor einem leuchtend blauen Nachthimmel. Dann sank sie langsam zu ihm herab; ihre heiße Zunge huschte über seine Brust, ganz zart, und ließ ihn aufstöhnen. Er hatte schon viel davon gehört, von Massimo, von den Stallburschen, aber dass es so gut war, so unendlich gut, das hätte er nie zu träumen gewagt. Er kostete es aus, dieses neue, wunderbare Gefühl, ließ sich immer weiter in den Sinnestaumel hineinfallen und gab sich ganz hin. Und seine Gefährtin für diese Nacht dankte es ihm auf ihre Weise. Sie bedeckte seinen ganzen Körper mit Küssen, und auf einmal war es ganz leicht, es ihr gleichzutun, es war ganz einfach, ihr Stöhnen zu deuten, diese Sprache der Lust, und dann, einen endlosen Augenblick später, als sich alle Säfte in ihm entluden, wusste er, dass er ein Mann war. Und selig schlief er ein.
»Fabrizio. Sohn.«
Die Stimme seines Vaters holte ihn aus seinen Erinnerungen zurück. Der junge Mann zuckte zusammen. Beschämt sah er den Fürsten an.
»Verzeiht mir, Herr. Was kann ich tun?«
»Ich denke«, sagte di Nanini nachdenklich, »es ist an der Zeit, dir mehr Verantwortung zu übertragen. Wir reden morgen darüber. Nun geh.«
Bella war mit einem Laut des Erstaunens aufgesprungen, als sie Benedetto erblickte. Bei diesem Burschen war Vorsicht angebracht. Man wusste nie, was sich gerade hinter seinen schwarzen Stirnfransen zusammenbraute. Die beiden Gaukler erhoben sich ebenfalls, doch zu Bellas Überraschung wirkten sie keinesfalls befremdet. Sie gingen dem jungen Mann entgegen und nahmen ihn freundschaftlich in ihre Mitte.
»So ist es wahr«, sagte der eine, »du kommst jetzt mit uns.«
Benedetto nickte. Als Bella seinen Blick auffing, sah sie, wie sich seine dunklen Augen mit Tränen füllten. Das Mädchen war verwirrt. Es war nicht Benedettos Art herumzuheulen. Er hatte schon einiges einstecken müssen, besonders in Giannis Küche, aber er hatte seine ständige Zurücksetzung durch den Koch und seine vielen Missgeschicke immer mit einem abfälligen Schnaufen bedacht. Nie hatte er nur ein Wort über seinen Kummer und seine Wut verloren. Der Gaukler, der gesprochen hatte, legte seinen Arm um Benedettos Schulter und zog ihn ein Stückchen vom Feuer weg. Benedetto schien eine unglaubliche
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