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Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Bracht
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Er hob den Becher und drehte sich im Kreis, sah in die Gesichter, die seinem so ähnlich waren – bis auf eines. Da stand ein Junge mit auffallend weißen Beinen und einer bunten Mütze, tief in das hübsche Gesicht gezogen. Als sich ihre Blicke trafen, lächelten beide.
    Nachdem der Principe seinen Sohn fortgeschickt hatte, saß er noch lange vor dem Kamin und blickte in die Flammen, als könnten sie ihm auf seine Fragen eine Antwort geben. Unruhige Zeiten waren das, fürwahr. Der ewige Zwist zwischen Florenz und Siena strebte einem neuen Höhepunkt entgegen. Die Tatsache, dass die Medici verjagt worden waren, hatte auf die fortwährenden Gehässigkeiten keine versöhnliche Wirkung gehabt. Dazu kamen die ständigen Eifersüchteleien und beinahe kriegerischen Auseinandersetzungen der Edlen untereinander. Di Nanini seufzte auf, als er an die letzten blutigen Rangeleien dachte. So viel Zwietracht war ein gefundenes Fressen für diese Rattenplage, wie er die Medici nannte, vor allem für den jüngsten Sohn von Lorenzo dem Prächtigen, Giuliano. Es war wirklich nur eine Frage der Zeit, wann sie genug erstarkt wären, um nach Florenz zurückzukehren und erneut die Macht an sich zu reißen. Solange sich hier in Siena die Mächtigen, allen voran Petrucci, nur mit ihren albernen Ränkespielen beschäftigten, hatte Giuliano genügend Zeit, um vom römischen Exil aus seinen Einmarsch zu planen. Man munkelte zudem, dass Giulianos zweiter Bruder Giovanni Ambitionen auf den Papstthron hegte.
    Der Fürst schüttelte den Kopf. Wenn der Herrgott das zuließe – unvorstellbar. Doch die Wege des Herrn waren unergründlich, wer wusste das besser als er. Und genau deshalb hatte er Giuliano geschrieben und diesem eine Allianz vorgeschlagen, gekrönt durch die Vermählung seines Sohnes mit einer Edlen aus der Familie de’ Medici. Fabrizio würde ihn dafür hassen, das war ihm bewusst, aber es war das sicherste Mittel, um einen Feind zum Freund zu machen. Wer wusste schon, was den Spaniern noch einfallen würde. Vielleicht war Neapel erst der Anfang, und Ferndinand bekam Appetit auf mehr. Nein, er musste Siena schützen. Und mit dem Ehebund als Pfand auf Beistand kam er seiner Verpflichtung als Nobile nach. Und Fabrizio ebenso.
    Langsam erhob sich der Principe. Ein anstrengender Tag ging zu Ende. Sein Sohn war wohlbehalten zurückgekehrt, und der kleine Koch schwitzte über seiner Herdstelle, um die verlangten Speisen zu bereiten. Aufmerksam, wie um den Tag mit sich zu nehmen, durchschritt di Nanini den großen Saal und wandte sich der Tür seines Schlafgemachs zu. Beim Betreten des Raums entließ er den Diener aus dessen Pflicht und setzte sich in seinen Lieblingssessel. Den Rücken zum wärmenden Feuer, den Blick in die Nacht gerichtet, die sich vor den Fenstern des Palazzo niedergesenkt hatte.
    Alles war vorbereitet. Das Gemach lag im Dunkeln, allein der Schein des Feuers spendete etwas Licht. Doch wozu brauchte er, einer der einflussreichsten Männer von Siena, noch Licht. Sein Licht war schon vor langer Zeit erloschen. Di Naninis gesundes Auge wanderte umher. Flammen spiegelten sich im matten Glanz des Silberbechers zu seiner Rechten. Der Wein auf dem kleinen Tisch aus Flandern leuchtete dunkel in dem kostbaren Kelch, und neben dem Pokal stand, wie immer zur Nachtzeit, ein Kästchen. In den Deckel waren seine Initialen als wertvolle Intarsien eingearbeitet. Sanft strich er über die leichte Wölbung des Holzes, als wäre es die Wange einer Frau. Dann nahm er die Schatulle und entriegelte sie mit einem versteckten Mechanismus. Der Fürst griff hinein, nahm ein paar dünne getrocknete Pilzscheiben heraus und steckte sie in den Mund. Langsam kaute er, spürte Bitterkeit über seine Zunge wandern und wie sie sich in seinem ganzen Körper ausbreitete. Und wartete auf die gewohnten Bilder.
    Eine Heilerin, die jedes Jahr an seinen Hof kam, hatte ihm vor vielen Sommern zum ersten Mal davon gegeben. Sie hatte seine Hand in ihre gelegt, und Andrea spürte bei dieser Berührung unvermittelt etwas wie Frieden in seinem Herzen. Ihre Augen fanden sich, und sie sah seine Verzweiflung, blickte in sein Innerstes, wie es sonst nur Liebende vermögen. Sie wusste, seine Pein war zu groß, um sie noch lange ertragen zu können. Als die Heilerin seine Hand losließ, drangen leise gemurmelte magische Worte an sein Ohr. Dann reichte sie ihm ein Leintuch.
    »Damit du leben kannst, der du nicht leben willst, aber leben musst, mein Fürst«, raunte sie ihm

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