Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Gespür für Speisen hast. Ich weiß allerdings nicht, warum du nicht sprechen willst. Doch das ist mir gleich. Du kannst schweigen bis zum jüngsten Tag, wenn dir danach ist. Hauptsache, du bist ein guter Koch. Denn ich brauche einen guten Koch.«
Mit Genugtuung sah er, wie sich das versteinerte Gesicht des Mädchens mit Leben füllte. Ihre Mundwinkel zuckten, ihre junge Stirn legte sich in Falten, ihr Blick wanderte rastlos durch die Küche mit all ihren Gerätschaften.
»Ich darf bei Euch kochen, Herr?«
Bella konnte es nicht fassen.
»Ja. Allerdings.«
Massimo genoss sichtlich seine Großzügigkeit, denn er reckte stolz sein Kinn vor.
»Wir wollen nicht lange um den heißen Brei herumreden, Mädchen. Ich weiß, wer du bist, aber ich möchte auch der Einzige bleiben, verstehst du? Niemand darf dein Geheimnis erfahren, sonst bist du hier nicht mehr sicher. Wie ist dein Taufname?«
»Nach der heiligen Magdalena, Herr.«
»Dann nennen wir dich auch so. Bella passt zwar gut zu dir …«, Massimo lächelte und zwinkerte ihr zu, »aber unter dem Namen kennt man dich. Magdalena … ist besser. Ich bringe dich jetzt ins Gesindehaus. Da gibt es ein Bett für dich. Und morgen zur sechsten Stunde bist du hier, in der Küche. Wir haben viel zu tun, denn der Fürst kommt zurück und mit ihm die gesamte Dienerschaft.«
Er nickte ihr zu, als sei damit alles gesagt, und wandte sich wieder seinem Holzbecher zu. Nur noch ein Weilchen, dann würde ihn Habibi zur Raserei bringen.
»Danke, Herr.«
Das Mädchen stand auf. Ein Bett … sie hatte noch nie ein Bett für sich allein gehabt. Hector hatte es wirklich gut mit ihr gemeint, sie in die Obhut des Kochs zu geben, anstatt sie an eine Schenke zu verkaufen. Beim Gedanken an Hector und die anderen Gaukler füllte sich ihr Herz erneut mit Kummer. Sie vermisste sie alle so sehr. Erschöpft von den Ereignissen des Tages ging sie auf die Tür zu, die in den Garten hinausführte. Da drehte sich Massimo noch einmal nach ihr um und rief:
»Nenn mich nicht Herr. Hier gibt es nur einen Herrn, und das ist unser Principe.«
Als Bella am nächsten Morgen die Küche betrat, war diese nicht wiederzuerkennen. Das Feuer war bereits angeheizt, in dem großen Kessel darüber köchelte eine wohlriechende Suppe, und Mägde und Knechte füllten den Raum mit Lärm und Geschäftigkeit. Mittendrin stand Massimo, die Hände vor der Brust verschränkt, und gab Anweisungen. Er sprach leise, und seine Befehle waren kurz. Als er sie erblickte, winkte er sie zu sich. Der Koch schlug mit seinem Holzbecher laut auf den Tisch, sodass die Küchendiener erschrocken innehielten. Er hob Bella hoch und stellte sie neben sich auf einen Stuhl, damit jeder im Raum sie sehen konnte. Ohne die Stimme zu heben, zeigte er auf sie und sagte:
»Das ist Magdalena. Sie wird hier arbeiten. Ihr Onkel hat sie zu uns gebracht, damit wir einen Koch aus ihr machen.«
Bei seinen letzten Worten hatten die Mägde und Knechte laut losgelacht. Massimo schlug erneut mit dem Becher auf den Tisch. Seine dunklen Augen funkelten vor Zorn.
»Was gibt es da zu lachen? An die Arbeit, ihr Dummköpfe.«
»Und du«, er tippte Bella an die Schulter, dass sie vom Stuhl herunterkommen solle, »du gehst mit Rosa in den Kräutergarten.«
Die Tür zur Sala war fest verschlossen. Hin und wieder drangen laute Männerstimmen nach draußen. Niemand durfte den Saal betreten; alle Speisen standen unberührt davor. Die Dienerschaft war verunsichert. So etwas hatten sie noch nie erlebt. Der Fürst war doch sonst ein besonnener Mann. Was konnte ihn nur dermaßen in Wut versetzt haben, dass er sich mit seinem Sohn in den Saal zurückzog? Beinahe den ganzen Tag währte das nun schon. Hatte sich Fabrizio etwas zuschulden kommen lassen? Kaum vorstellbar. Er war seinem Vater ein guter Sohn. Doch dieses Geschrei – derPrincipe und sein Sohn trugen einen Streit aus, so viel war sicher. Aber niemand in Ascarello konnte sich vorstellen, was der Grund dafür sein mochte.
Andrea di Nanini saß in seinem Sessel, die Hände wie zum Gebet gefaltet, und blickte ausdruckslos in die tanzenden Feuerzungen, die um die Holzscheite im Kamin leckten. Sein Sohn, Wams und Hemd aufgerissen, die Haare zerwühlt, wanderte ruhelos durch den Saal. Immer wieder schüttelte er den Kopf.
»Ihr könnt mich nicht zwingen, Herr. Ich bin Euer Sohn.«
»Du bist mein Sohn, und darum ist es deine Pflicht.«
Der Fürst blickte unablässig in die Flammen. Er war müde. Müde des Streits,
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