Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Bracht
Vom Netzwerk:
Mochte die Braut noch so hässlich sein – dieses Gerücht hielt sich hartnäckig in Ascarello –, allein die verschiedenen Köstlichkeiten würden ihr Aussehen vergessen machen. Zumindest eine gewisse Zeit lang. Es würde Hammelsuppe geben und Zickleinkopf, gefüllte Enten, geröstete Schweineschulter und Schwan im Federkleid und dazu allerlei Soßen im Überfluss: Salsa Verde, Dolceforte, Agrest, überdies Soßen mit viel Pfeffer, Soßen mit Pinienkernen, mit Trüffeln. Allein die frittierten Kartoffeln, wie man sie auch in Florenz kannte, und eingelegte Gemüse in großer Zahl verströmten ein Aroma, das jedem Gast das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen würde. Und erst die Kuchen und Süßspeisen. Bella sollte die Cialdoni zubereiten. Eine heikle Aufgabe. Sahnewaffeln waren nicht einfach herzustellen. Das Feuer musste eine bestimmte Hitze haben, und der Teig brauchte die richtige Konsistenz. Und dann war es an dem Waffelbäcker, auf sein gutes Gefühl für den passenden Zeitpunkt zu setzen, denn blieb das Eisen zu lange im Feuer, waren die Waffeln verdorben. Bekam es jedoch nicht genug Hitze ab, entwickelten die Waffeln weder Bräune noch Aroma und konnten ebenfalls nicht serviert werden. Es war also ein Vertrauensbeweis des Küchenmeisters, wenn er ihr diese wichtige Arbeit übertrug.

12. KAPITEL
    D onata stand am offenen Fenster, wie jeden Abend, und atmete die kühle Herbstluft ein. Es war um Pfingsten herum gewesen, als Gabriella sich mit ihrer Tochter auf den Weg zu Anna begeben hatte, und seitdem war es den Häschern Ascanios nicht gelungen, sie ausfindig zu machen. Bellas Spur verlor sich in einer Schenke in Grosseto; die Gaukler hätten sie verschleppt und verkauft, hieß es, doch Donata spürte, dass die Wahrheit eine andere war. Versteck dich gut, mein Kind, dachte sie und zog sich den dicken Wollschal fest um die Schultern. Sie schloss die Fensterläden und ging nachdenklich zum Kamin, wo sie sich in einen schweren, samtbezogenen Sessel gleiten ließ. Ihr Blick folgte dem Spiel der Flammen, sie spürte die Wärme des Feuers auf ihren Wangen.
    Donata schloss die Augen. Ihr Herz schlug ruhig seit jenem Tag, als die Kleine aus Giannis Küche ihr die Kalmare gebracht hatte. Endlich konnte sie wieder schlafen. Da waren keine bösen Träume mehr, keine Angst vor Ascanio mit dem Messer an der Wiege. Die Contessa seufzte. Ein kleiner Moment des Erkennens war es gewesen, der ihrem Leben auf einmal wieder Sinn gab, und es war ihr sehnlichster Wunsch, für das Wohl ihrer Tochter zu sorgen – auch wenn sie immer noch nicht wusste, wo sich Bella aufhielt. Donata griff nach einer Decke und wickelte sich darin ein. Ein paar Augenblicke später war sie eingeschlafen.
    War es für die Contessa ein glücklicher Tag gewesen, als Bella für sie gekocht hatte, so hatte sich für Gianni und Rocco seitdem alles zum Schlechten gewendet. Nicht nur, dass dem alten rothaarigen Koch und seinem Sohn das fröhliche Mädchen fehlte, Bella hatte auf ihre Weise viel dazu beigetragen, dass der Conte mit der Küche zufrieden war. Bereits wenige Tage nach ihrer Abreise hatte es die erste böse Schelte für Gianni gegeben, und das war erst der Anfang gewesen. Giannis Verunsicherung wuchs mit jeder Aufgabe, die seine Küchenschar zu erfüllen hatte, und je mutloser er wurde, desto einfallsloser gerieten seine Speisen. In Rocco hatte er keine Hilfe, der junge Bursche war viel zu sehr mit seinem Kummer über Bellas Verschwinden beschäftigt, und Benedetto … Dieser Tunichtgut von einem Sohn hatte sich aus dem Staub gemacht; bei den Zigeunern habe man ihn gesehen, erzählten sich die Mägde und schüttelten missbilligend den Kopf; das war ihm nicht entgangen. Gianni war müde. Das Riechen und Schmecken fiel ihm schwer, und es wollte ihm keine harmonische Kreation mehr gelingen. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, wann Ascanio ihn davonjagen würde.
    »Gianni?« Das war Roccos Stimme.
    Der Koch saß am langen Arbeitstisch und schnitt eine Zwiebel in kleine Stücke. Stumm zeigte er mit der Hand neben sich. Rocco verstand und nahm einen Stuhl. Er versuchte, zu lächeln und die Aufmerksamkeit seines Ziehvaters zu erhaschen, doch Giannis Augen blickten stur auf die Zwiebel. Rocco stand geräuschvoll auf und griff zwei Holzbecher aus dem Regal. Es war spät am Abend; alle Diener waren schon fort, und das kleine Reich des Küchenmeisters war sauber geputzt und bereit für einen neuen Tag. Rocco holte einen Steinkrug aus dem Keller und

Weitere Kostenlose Bücher