Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Mädchen aus gutem Hause – und das war diese Rattenbrut trotz allem – in ihrem Alter noch keinen Bräutigam hatte, wenn es nur einigermaßen ansehnlich und wachen Verstandes war. Der junge Herr tat ihm leid. Beruhigend klopfte er ihm auf die Schulter.
»Was erzählt man sich über sie?«
Er goss ihre Becher randvoll und stieß mit Fabrizio an.
»Nichts. Keiner kennt sie. Keiner weiß etwas. Nicht einmal die Gaukler.«
Massimo nickte. Wenn die Zigeuner nichts wussten, dann wusste niemand etwas. Fabrizio leerte seinen Becher mit einem Zug und goss ihn sich sofort wieder voll. Wieder trank er einen großen Schluck. Der Wein hatte längst jeglichen Geschmack für ihn verloren, aber darauf kam es jetzt nicht an.
»Schon übermorgen«, heulte er, dann sank sein Kopf auf die Tischplatte. Massimo seufzte und half ihm beim Aufstehen. Bei allen Teufeln, dachte er, während er Fabrizio zu seinem Schlafgemach schleppte, ich möchte nicht in seiner Haut stecken.
Fabrizio hatte von der Marketenderin geträumt, von ihren Händen, ihren Küssen. Verwirrt bemerkte er, wie er wach gerüttelt wurde. Es war sein Vater. Seit der Auseinandersetzung im Saal waren sie sich aus dem Weg gegangen. Er spürte, dass der Fürst ihn dieser Tage gewähren ließ, ihn nicht zur Ordnung rief, ihn nicht mit weiteren Befehlen bedrängte.
»Steh auf, mein Sohn, du hast Geburtstag. Nicht mehr lange, und deine Gäste werden hier sein. Ihr Bote ist gerade in Ascarello eingetroffen.«
Di Nanini betrachtete seinen Sohn prüfend und suchte nach irgendeiner Regung in seinem Gesicht. Fabrizio war jung, und es war das Recht der Jugend aufzubegehren, infrage zu stellen – und es war ihre Pflicht zu gehorchen. Auf Erfahrung zu vertrauen und auf die Liebe der Eltern. Sein Sohn blickte ihn offen an, ohne etwas zu erwidern. Sollte er sich seinem Schicksal gebeugt haben?
Mit der zärtlichen Zuneigung eines Vaters sah er ihm zu, wie er aus dem Bett stieg und sich vom Diener beim Waschen und Ankleiden helfen ließ. Die scharlachroten Beinkleider und das kostbar bestickte Wams betonten seinen sehnigen, kraftvollen Wuchs. Fabrizio war ein schöner junger Mann, unübersehbar. Als er fertig angezogen war und der Diener das Gemach verlassen hatte, ging der Fürst auf ihn zu und schloss ihn fest in die Arme. Zunächst spürte er Widerstand; der junge Mann war starr wie ein Holzstock. Erst als ihm sein Vater über das Haar strich, löste sich die Erstarrung, und der Junge sank schluchzend an seine Brust.
»Als ich dich vor zwanzig Jahren zum ersten Mal in meinen Armen hielt, hast du auch geweint«, sagte der Principe leise. »Damals war ich stolz darauf, dass mir ein Sohn geboren worden war. Heute bin ich stolz darauf, dass du mein Sohn bist, Fabrizio.«
»Ich habe solche Angst, Vater.«
»Ich weiß«, murmelte der Fürst. »Aber bei allem, was geschieht, denke daran, dass nichts im Diesseits ohne Sinn ist. Auch wenn wir oft nicht wissen, warum der Herrgott uns prüft, er weiß es. Er weiß es, mein Sohn.«
Fabrizio löste sich aus der Umarmung und versuchte ein Lächeln. Um seinen Mund herum war ein neuer Zug. Das Marktweib hat ihn zum Mann gemacht, aber das, was er in den letzten Wochen durchlitten hat, wird ihn zum Fürsten machen, irgendwann, dachte di Nanini. Dann verließ er seinen Sohn, um sich auf die Ankunft der Herrschaften aus dem römischen Exil vorzubereiten.
In Massimos Küche ging es ruhig zu, jeder Aufregung zum Trotz. Bella und alle anderen hatten in den letzten Tagen und Nächten kaum Schlaf bekommen. Alles musste perfekt sein, das erwartete Massimo von ihnen. Für einen Moment erinnerte sie sich an ihre Kinderzeit bei Gianni. Wie sehr sich die beiden Köche unterschieden. Gianni war immerzu ängstlich, aufbrausend, regierte über sein Küchenvolk mit lauter Stimme und der einen oder anderen Backpfeife. Massimo war anders. Seine Stimme war leise, aber bestimmt. Er konnte die Knechte und Mägde mit der ihm eigenen Energie mitreißen. Sie hatten Anteil an den Erfolgen ihrer Mühen, weil Massimo viel davon berichtete, wie die eine oder andere Speise an der Tafel beurteilt worden war. Je länger Bella in seiner Küche verbrachte, desto mehr schätzte sie den kleinen Mann mit dem kahlen Schädel und dem lauten Lachen. Und sie ertappte sich dabei, wie sie alles tat, um von ihm gelobt zu werden.
Für die Feierlichkeiten anlässlich der Verlobung und des Geburtstages von Fabrizio hatten sie sich eine wundervolle Speisenfolge einfallen lassen.
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