Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
ein paar passende Worte auf den Lippen, da überkam ihn ein Gefühl der Ohnmacht. Hatte er eine Wahl? Entweder traute er dem Gauklerpack, oder er würde am Galgen enden. Wieder schluchzte er auf. Seine Scudos waren verloren. Alles, was er in seiner Gier angerichtet hatte, war umsonst gewesen.
»Was muss ich dafür tun, dass ihr mich schützt?«, fragte Martini matt. Er wünschte sich, nie geboren worden zu sein.
Benedetto genoss die Hilflosigkeit des Mannes vor ihm. Der Vogt war ein böser Mensch, ohne Mitleid, gierig nach Silber und Macht. Er hatte Jolande auf dem Gewissen und viele andere, die ihm im Weg gewesen waren. Doch damit war jetzt Schluss.
»Wir wollen ein Winterquartier, Martini. In diesem Jahr und in denen, die kommen werden, solange du der Stadtvogt bist. Und ohne einen Scudo dafür zu zahlen.«
»Das ist alles?«, platzte es aus dem Vogt heraus. »Mehr verlangt ihr nicht?«
»Nein«, antwortete Benedetto und wandte sich zur Tür. »Dein Schutz gegen unseren Schutz. Das ist der Handel.«
Martini hörte, wie die Tür dumpf ins Schloss fiel. Er spürte sein Herz laut schlagen. Mit zitternden Beinen erhob er sich, immer noch verwundert darüber, so leidlich davongekommen zu sein. Er holte sich von seinem besten Wein und goss den Becher voll bis zum Rand. Welch ein Tag. So viel Glück musste gefeiert werden.
Als Benedetto die Wagenburg seiner Familie erreichte, war es bereits tiefe Nacht. Die Zigeuner hatten ihr Lager am Rande der maremmanischen Wälder aufgeschlagen; hier, in der Nähe von Alberese, gab es noch reichlich Wild, um einen Vorrat für den Winter anzulegen. Schon von Weitem sah er das Lagerfeuer brennen, und als er näher kam, konnte er die hochgewachsene Gestalt des Anführers erkennen, der bei den Flammen stand. Benedetto fühlte das, was er immer fühlte, wenn er von einer Reise zurückkehrte: Er kam nach Hause.
Schnell versorgte er sein Pferd, dann gesellte er sich zu Hector. Gut gelaunt erzählte er ihm von seinem Gespräch mit dem Vogt und dass alles so gelaufen sei, wie sie es geplant hatten. Martini würde alles tun, um in Freiheit zu bleiben und weiterhin sein Silber zählen zu können.
Hector blickte in die Flammen und nickte nur. Benedetto wurde stutzig. Das kannte er von seinem Anführer nicht. Er trat an ihn heran und berührte vorsichtig seinen Arm. Jetzt erst drehte sich Hector zu ihm um. Seine Miene war wie versteinert, die Augen schimmerten feucht. In Benedettos Kopf purzelten die Gedanken durcheinander. Was konnte Hector so aufgewühlt haben? In ihm wuchs ein schrecklicher Gedanke heran.
»Momo? Ist etwas mit Momo? Bitte nicht, Hector.«
Der Anführer der Zigeuner schluckte und schüttelte den Kopf. Benedetto atmete auf. Gott sei es gedankt, wenn es Momo gutgeht, dachte er, alles andere wird schon nicht so schlimm sein.
»Habibi«, flüsterte Hector und schlug sich die Hände vors Gesicht, »sie ist …«
Habibi. An sein Weib hatte Benedetto überhaupt nicht gedacht. Sie spielte in seinem Leben keine Rolle, auch wenn sie jetzt das Lager teilten, weil sie keinen eigenen Wagen mehr hatte. Aber sein Freund liebte sie, das galt es zu respektieren.
»Was ist mit ihr?«, fragte er so sanft wie möglich. Hector wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
»Das Kind – meine Frau sagt, es geht nicht voran. Habibi hat keine Kraft mehr.«
Benedetto dachte nach. Als sie sich vor zwei Tagen voneinander verabschiedeten, hatte Habibi über Rückenschmerzen geklagt. Sie hatte seine Nähe gesucht und ihn gebeten, sie in den Am zu nehmen. Er hatte sie halbherzig getröstet und war fortgegangen, um sein Pferd zu satteln.
»Wo ist sie?«, fragte er. »Ich möchte zu ihr.«
»Das ist Sache der Weiber, Benedetto. Bleib bei mir am Feuer und trink mit mir – wir können ihr nicht helfen. Es liegt nicht in unserer Macht.«
Benedetto überlegte. Mag sein, dachte er, dass sich viele Männer um ihre Weiber nicht kümmern. Aber ich habe Habibi schon viel zu lange allein gelassen … Zu seinem Freund gewandt sagte er:
»Du findest mich bei meinem Weib, Hector.«
Dann drehte er sich um und ging zu seinem Wagen.
Hectors Frau schenkte ihm keine Beachtung, als er den Kopf in den Wagen steckte. Alondra legte Habibi gerade ein feuchtes Tuch an die Lippen und führte dann die Hände unter die Decke, um den geschwollenen Leib abzutasten. Als Habibi Benedetto entdeckte, lächelte sie matt. Die Augen, die schon so viele Männer angestrahlt hatten, glänzten fiebrig. Wortlos ließ sich
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