Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
ebenfalls in Gefahr. Heiler zogen umher und verkauften Wundermittel gegen das Fieber, einige waren schon aufgeknüpft worden, weil die Menschen trotzdem starben wie die Fliegen.
»Das weiß ich alles schon«, sagte Martini dumpf und trank seinen Becher in einem Zug leer. »Und nicht nur ich, sondern jeder Tölpel zwischen Lucca und Siena.«
Er betrachtete Benedetto mit zusammengekniffenen Augen, lange würde er sich nicht mehr beherrschen können. Er wollte seine Ruhe haben und sein Geld zählen, und dieser Hundesohn tischte ihm Neuigkeiten auf, die schon lange keine mehr waren.
»Na los, mein Freund«, versuchte er ihn zu locken, »was weißt du wirklich? Vergiss nicht, Benedetto: Wir haben einen Handel – habe ich Recht?«
Benedetto griff nach einem weiteren Hühnerbein und ließ es sich schmecken. Natürlich blieb es ihm nicht verborgen, dass der Vogt innerlich kochte, aber es gefiel ihm, Martini noch ein wenig zappeln zu lassen. Er hasste diesen Mann, und er wusste inzwischen, zu welchen Gemeinheiten er fähig war. Und auch wenn der Handel zwischen ihnen vor dem Prete beschlossen worden war – im Gegensatz zu Hector glaubte Benedetto nach wie vor nicht daran, dass der Stadtvogt zu seinem Wort stehen und den Gauklern ein Winterlager gewähren werde. Ein letztes Mal griff er zum Brot, dann stand er auf und begann, vor der Feuerstelle auf und ab zu laufen. Er wusste, es verlieh seinen Worten genau die Dramatik, die den Vogt in Angst und Schrecken versetzte.
»Verzeih mir, Vogt«, begann er und sah Martini ernst an, »ich hätte mir denken können, dass du mit diesen Berichten nicht zufrieden bist. Aber sieh …«, er machte eine ausladende Handbewegung, »ich wollte dich nicht beunruhigen. Das war dumm von mir. Du bist ein schlauer Mann und lässt dich nicht täuschen.«
Bei den letzten Worten blitzten die Augen des Vogtes auf; unruhig rutschte er auf der Bank hin und her. Er suhlt sich in den Schmeicheleien wie die Sau im Dreck, dachte Benedetto. Dann sagte er:
»Was die Absichten des Königs von Aragonien betrifft, dazu gibt es im Moment nur widersprüchliche Aussagen. Ich bin zuversichtlich, dir das nächste Mal Einzelheiten nennen zu können, die dem Schutze und Wohle Grossetos dienen. Nein, Vogt, meine Zweifel, offen zu sprechen, haben nur einen Grund: Es geht dabei um dich.«
Martini war auf einmal hellwach. Er setzte sich kerzengerade hin und starrte den Gaukler mit weit aufgerissenen Augen an. Benedetto nickte und fuhr fort:
»Pandolfo Petrucci wurde ermordet, wie wir alle wissen. Aber der Mörder wurde beobachtet. Es gibt einen Zeugen. Hector und ich haben mit ihm gesprochen. Was er sagt, klingt absolut glaubwürdig.«
»Das kann jeder behaupten«, sagte der Vogt und bemühte sich um Fassung. Benedetto nickte zustimmend. Warte nur, dachte er, du wirst unruhige Tage und Nächte vor dir haben. Und du hast es verdient.
»Eben darum haben wir uns die Tat in allen Einzelheiten schildern lassen. Wir haben eine genaue Beschreibung des Mannes, der Petruccis Lebenslicht ausgelöscht hat, wir kennen den Ort und die Zeit.«
Der Vogt schob die Unterlippe vor.
»Vielleicht habt ihr, ohne es zu wissen, mit dem Mörder selbst gesprochen, und er hat euch eine feine Lügengeschichte aufgetischt.«
Der Zigeuner schüttelte den Kopf.
»Nein, Martini, der Mörder hat mit Petrucci gesprochen, bevor er ihn umbrachte. Er hat ihm alles erzählt. Welche Allianzen der Conte von Lucca schließen wird, wenn Petrucci erst einmal nicht mehr da ist. Welche Bedeutung Grosseto spielen soll. Und dass di Nanini ihm bald in die Hölle nachfolgen wird. Willst du noch mehr hören?«
Der Stadtvogt senkte den Kopf. Er wusste, der Zigeuner sprach die Wahrheit und hatte ihn in der Hand. Tränen der Furcht vor Kerker und Tod rollten seine rosigen Wangen hinab. Er schluchzte laut auf. Benedetto wandte sich angewidert ab.
»Du bist kein Menschenfreund«, flüsterte der Stadtvogt, »ebenso wenig ich, mein Freund. Also. Was willst du von mir?«
Der Gaukler trat auf den Tisch zu, an dem Martini saß, und stützte sich mit den Armen auf. Er sah Martini offen ins Gesicht. Seine dunklen Augen waren kalt wie Eis.
»Wir bieten dir unseren Schutz an, Stadtvogt. Im Moment kennt keiner den, der alles sah, nur Hector und ich. Du kannst sicher sein, wir geben gut auf ihn Acht. Deine Räuberbande wird ihn nicht bekommen.«
Erstaunen machte sich auf Martinis Gesicht breit. Diese Laus von einem Zigeuner wollte ihn also erpressen. Er hatte schon
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